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Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra

Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra

Titel: Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
Autoren: P. B. Kerr
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schliefen. Das Haus, in dem das entsetzliche Geschehen stattfand, war ein Regierungsgebäude in London. Ein eher unscheinbar wirkendes klassizistisches Backsteingebäude in Whitehall, mit der ältesten und namhaftesten Adresse der Welt – bekannter noch als das Weiße Haus. Vor der berühmten schwarzen Eingangstür stand ein Polizist; auf der anderen Straßenseite reihten sich weitere Regierungsgebäude aneinander, bis nach Westminster und dem Westminster Palace mit der trüben Themse dahinter.
    Weit nach Mitternacht, an einem kalten Aprilmorgen in den letzten Jahren des letzten Jahrtausends, war alles still in der Downing Street Nr.   10.   Ein elfjähriges Mädchen befand sich allein auf seinem Zimmer, aber es schlief nicht, sondern lag mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke und las ein Buch. Ihre Mutter und ihr Vater, der Premierminister von England und Nordirland, schlummerten tief und fest am anderen Ende des Korridors, während ein Stockwerk tiefer der Leibwächter des Premierministers und der Pressesprecher in einem Büro hinter dem Cabinet Room Dienst taten. Gegen null Uhr vierzig sah das Mädchen von seinem Buch auf und runzelte verwundert die Stirn, weil es meinte, ein Lachen gehört zu haben. Ein seltsames, weibliches Lachen. Jung und gehässig.
    Merkwürdig.
    Das Mädchen streckte den Kopf aus dem Deckenzelt, horchte einen Moment und verwarf den Gedanken wieder.
    Ich höre Gespenster.
    Doch als das mädchenhafte Lachen wieder erklang, setzte sie sich auf und warf ihr Taschenbuch beiseite, weil sie sich nicht mehr konzentrieren konnte.
    Dieses Kichern ist total unheimlich.
    Sie stand auf, um nachzusehen. Während sie sich ihren Morgenmantel überzog, öffnete sie die Tür und sah den Korridor entlang. Das Kichern schien aus dem Schlafzimmer ihrer Eltern zu kommen.
Was ist da los? Das ist nicht meine Mutter, die lacht. Sie klingt ganz anders. Außerdem lacht sie überhaupt nicht mehr, seit wir in die Downing Street gezogen sind.
    Das Mädchen tappte durch den Korridor, und das Kichern wurde plötzlich lauter, gehässiger, ja richtiggehend boshaft, doch als sie die Tür zum Schlafzimmer des Premierministers aufstieß und eintrat, brach das Kichern abrupt ab. Wenn auch nur kurz.
    Was zum Teufel ist hier los?
    Ihre Mutter kauerte mit weit aufgerissenen Augen in der Ecke und schien vor irgendetwas entsetzliche Angst zu haben. Ihr Vater saß kerzengerade im Bett, hatte die Augen jedoch geschlossen und schnaufte so heftig durch die aufgeblähten Nasenflügel, als sei er gerade gerannt. Er schien überhaupt nicht er selbst zu sein. Sein Gesicht war leichenblass, sein Pyjama schweißnass und das Haar klebte ihm am Kopf wie feuchtes Stroh. Plötzlich öffnete er die flatternden Augendeckel,verdrehte die Augen wie ein paar Murmeln bis fast unter die Lider und schloss sie wieder.
    Er hat einen Herzanfall! Das ist es!
    Sie fühlte sich merkwürdig erleichtert, bis ihr auffiel, dass ihr Vater grinste. Doch es war nicht sein übliches selbstzufriedenes Grinsen. Das hier sah anders aus, eher wie ein Hund, der die Zähne fletschte. Und dann bemerkte sie die Hitze. Im Zimmer war es heiß wie in einem Ofen. Sie tappte zum Fenster. Öffnete es. Berührte den Heizkörper. Kalt.
    Sehr merkwürdig.
    Sie sah sich nach ihrer Mutter um. »Was ist los mit dir, Mum?«, fragte sie.
    »Mit
mir
ist überhaupt nichts«, antwortete ihre Mutter erregt. »Aber mit deinem Vater!«
    Das Mädchen ging zum Bett des Vaters und beugte sich über ihn. Mit dem Handrücken schob sie seinen Teddybär Archibald zur Seite und sprach ihn leise an, so als würde er schlafwandeln: »Dad? Bist du okay?« Wieder dieses heftige Schnaufen. Das wölfische Grinsen blieb, dann öffneten sich seine grünen Augen und hefteten sich mit einem derart seltsamen Ausdruck auf sie, dass es ihr eiskalt über den Rücken lief.
    »Hör auf damit, Dad. Das ist nicht komisch. Du machst Mum Angst.«
    In diesem Moment begann er zu lachen. Nur dass es gar nicht ihr Vater war, der lachte. Es war das Lachen eines jungen Mädchens, das aus seinem Mund drang, fast so, als befände sich jemand anderes in ihm, irgendjemand Fremdes, Unerwünschtes und möglicherweise auch Bedrohliches. Irgendjemand oder irgend
etwas
.
    Wenn du das bist, Dad, und wenn das eine Art Scherz sein soll, dann ist er nicht sehr witzig. Du bringst mich nämlich dazu, dass ich mir vor Angst fast in die Hose mache, weißt du das?
    Kalte, ausdruckslose Augen, die so gar nicht zu dem Kichern passen wollten,
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