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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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still von den Tempelterrassen von Zar davonsegelte, entdeckten wir
    voraus am fernen Horizont die Spitztürme einer mächtigen Stadt; und der bärtige Mann sagte zu mir: »Dies ist Thalarion, die Stadt der Tausend Wunder, in der all jene Mysterien residieren, die der Mensch vergeblich zu ergründen gesucht hat.« Und als ich aus geringerer Entfernung wieder hinblickte, sah ich, daß die Stadt größer war, als jede andere Stadt, die ich bislang gekannt oder im Traum geschaut hatte. Die Türme ihrer Tempel reichten bis in den Himmel, so daß niemand ihre Spitzen zu sehen vermochte, und weit hinten am Horizont erstreckten sich grimme, graue Mauern, über die man nur einige wenige Dächer erspähen konnte, geisterhaft und ominös, und doch mit reichen Friesen und verführerischen Skulpturen geschmückt. Es verlangte mich sehr, diese faszinierende und zugleich abstoßende Stadt zu betreten, und ich flehte den Bärtigen an, mich an dem glänzenden Pier bei dem gewaltigen, gemeißelten Tor Akariel an Land zu setzen; aber er schlug mir meine Bitte freundlich ab, indem er sagte: »Thalarion, die Stadt der Tausend Wunder, haben viele betreten, aber keiner ist zurückgekehrt. In ihr wandeln nur Dämonen und irrsinnige Wesen, die keine Menschen mehr sind, und die Straßen sind weiß von den unbestatteten Gebeinen jener, die auf das Eidolon Lathi geblickt haben, das über die Stadt regiert.« So segelte das Weiße Schiff an den Mauern von Thalarion vorbei und folgte viele Tage einem südwärtsfliegenden Vogel, dessen leuchtendes Gefieder dem Himmel glich, aus dem er gekommen war.

    Wir gelangten dann zu einer heiteren, mit Blüten, aller Tönungen geputzten Küste, wo sich, so weit wir ins Landesinnere schauen konnten, liebliche Haine und prunkende Obstgärten unter einer mittäglichen Sonne wärmten.

    Aus unserem Blick verborgenen Lauben schallten Lieder und Bruchstücke lyrischer Harmonien, vermischt mit so entzückendem Gelächter, daß ich in meinem Eifer die Ruderer anspornte, jenen Schauplatz zu erreichen. Und der bärtige Mann sagte kein Wort, sondern beobachtete mich nur, als wir uns dem liliengesäumten Ufer näherten. Plötzlich trieb ein Wind, der über die Blumenwiesen und Laubwälder strich, einen Geruch herüber, der mich erzittern ließ. Der Wind schwoll an, und die Luft füllte sich mit dem lethalen Grabesgestank pestbefallener Städte und offenliegender Friedhöfe. Und als wir wie rasend von jener verdammungswürdigen Küste absegelten, sprach der bärtige Mann schließlich und sagte: »Dies ist Xura, das Land Unerreichter Wonnen.«So folgte das Weiße Schiff erneut dem Himmelsvogel, über warme gesegnete Meere, die liebkosende, aromatische Brisen umfächelten. Tag auf Tag und Nacht für Nacht segelten wir und lauschten bei Vollmond den weichen Liedern der Ruderer, die so süß klangen wie in jener weit zurückliegenden Nacht, als wir von meiner fernen, heimatlichen Küste absegelten. Und bei Mondschein ankerten wir schließlich auch im Hafen von Sona-Nyl, der von Zwillingsvorgebirgen aus Kristall bewacht wird, die der See entsteigen und sich zu einem funkelnden Bogen vereinigen. Dies ist das Land der Phantasie, und über eine goldene Brücke aus Mondscheinstrahlen schritten wir an das grünende Ufer.

    Im Lande Sona-Nyl existiert weder Zeit noch Raum, weder Leid noch Tod; und dort weilte ich viele Äonen. Grün sind die Haine und Triften, leuchtend und duftig die Blumen, blau und voller Musik die Ströme, rein und kühl die Fontänen, stattlich und prachtvoll die Tempel, Schlösser und Städte von Sona-Nyl. Dieses Land kennt keine Grenzen, denn hinter jedem schönen Durchblick eröffnet sich ein neuer, noch schönerer. Über das Land und durch die Herrlichkeit der Städte schweifen ungezwungen die glücklichen Bewohner, denen allen makellose Anmut und lauteres Glück geschenkt ist.

    Während der Äonen, die ich dort weilte, streifte ich wonnevoll durch Gärten, wo schmucke Pagoden aus hübschen Buschgruppen lugen, und wo die weißen Wege mit delikaten Blüten gesäumt sind. Ich stieg auf sanfte Berge, von deren Kuppen sich nur die Aussicht auf überwältigende Panoramen voller Lieblichkeit bot, mit turmgekrönten Städten, die sich in fruchtbare Täler schmiegten und mit goldenen Domen gigantischer Städte, die am unendlich fernen Horizont glitzerten. Und im Mondschein betrachtete ich die funkelnde See, die kristallenen Vorgebirge und den stillen Hafen, wo das Weiße Schiff vor Anker lag.

    Gegen den Vollmond
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