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Die Katze im Taubenschlag

Die Katze im Taubenschlag

Titel: Die Katze im Taubenschlag
Autoren: Agatha Christie
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sich Shandas Verschwinden mehr zu Herzen genommen hatte, als sie zeigte. Sie war ebenso besorgt wie Miss Chadwick, vielleicht noch mehr, denn die Entführung hatte stattgefunden, während sie für die Schule verantwortlich war.«
    »Auch hinter ihrem sicheren Auftreten hat sich also eine gewisse Schwäche verborgen«, murmelte Miss Bulstrode.
    »Ja, und auch sie konnte nicht schlafen. Ich glaube, dass sie heimlich in die Turnhalle gegangen ist, um Shandas Schließfach zu untersuchen. Wahrscheinlich hoffte sie, dort einen Anhaltspunkt für die Entführung zu entdecken.«
    »Sie scheinen für alles eine Erklärung zu haben, Monsieur Poirot.«
    »Das ist seine Spezialität«, versetzte Kommissar Kelsey etwas boshaft.
    »Und warum musste Eileen Rich Zeichnungen von verschiedenen meiner Lehrerinnen anfertigen?«
    »Weil ich feststellen wollte, ob Jennifer ein Gesicht erkennen konnte. Ich überzeugte mich sehr bald davon, dass sie so intensiv mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt war, dass sie sich kaum Zeit nahm, über andere nachzudenken oder sie eingehend zu betrachten. Sie erkannte nicht einmal ein Porträt von Mademoiselle Blanche mit einer anderen Frisur. Sie würde Ann Shapland noch weniger erkannt haben, die sie sowieso nur selten aus der Nähe gesehen hatte.«
    »Sie glauben also, dass Ann Shapland die Frau mit dem Tennisschläger war?«
    »Ja. Ann war daran gewöhnt, sich im Nu in eine andere Person zu verwandeln. Eine blonde Perücke, anders gezeichnete Augenbrauen, ein elegantes Kleid, ein Hut mit breiter Krempe… Zwanzig Minuten später hätte sie bereits wieder an ihrer Schreibmaschine sitzen können. Ich habe an Miss Richs verblüffenden Zeichnungen erkannt, wie leicht sich eine Frau mit äußeren Hilfsmitteln verändern kann.«
    »Ja, Miss Rich…«, sagte Miss Bulstrode nachdenklich.
    Poirot warf Kelsey einen bedeutungsvollen Blick zu.
    »Ich muss jetzt gehen«, erklärte Kelsey. »Soll ich Miss Rich bitten hereinzukommen?«
    Poirot nickte.
    Eileen Rich kam mit bleichem, aber trotzigem Gesicht ins Zimmer.
    »Sie wollen wissen, was ich in Ramat zu suchen hatte, Miss Bulstrode?«, fragte sie.
    »Ich habe, glaube ich, eine Idee«, erwiderte Miss Bulstrode.
    »Ich auch«, sagte Poirot. »Obwohl Kinder heutzutage theoretisch über alles aufgeklärt sind, bleiben ihre Augen manchmal unschuldig.«
    Er fügte hinzu, dass auch er sich nun leider verabschieden müsse.
    »Das war’s also, nicht wahr?«, fragte Miss Bulstrode mit kühler, sachlicher Stimme. »Jennifer beschrieb die Frau, die sie gesehen hatte, ganz einfach als dick. Sie war sich nicht im Klaren darüber, dass sie schwanger war.«
    »Ja, ich erwartete ein Kind«, gestand Eileen Rich. »Aber ich wollte meinen Posten hier nicht aufgeben. Es ging alles gut bis zum Herbst. Dann, als sich mein Zustand nicht länger verbergen ließ, verschaffte ich mir ein ärztliches Attest. Ich fuhr nach Ramat, weil ich hoffte, dort keine Bekannten zu treffen. Später kam ich nach England zurück, wo ich mein Kind gebar – es war tot. Als ich zu Beginn dieses Schuljahrs wieder nach Meadowbank kam, hoffte ich, dass niemand etwas von der Sache erfahren würde… Sie werden jetzt sicher verstehen, warum ich Ihr Angebot einer Partnerschaft unter normalen Umständen nicht hätte annehmen können, nicht wahr? Erst nachdem die Schule einen so schweren Schlag erlitten hatte, glaubte ich, vielleicht doch auf Ihren Vorschlag eingehen zu können.«
    Nach einer kurzen Pause fragte sie schlicht:
    »Soll ich sofort gehen oder bis zum Ende des Schulhalbjahrs dableiben?«
    »Sie bleiben bis zum Ende des Schulhalbjahrs«, erwiderte Miss Bulstrode. »Und ich erwarte, dass Sie nach den Ferien wieder zurückkommen, falls die Schule, wie ich noch immer hoffe, weiterbestehen wird.«
    »Sie wollen mich wirklich hier behalten?«, fragte Eileen.
    »Selbstverständlich. Sie haben doch keinen Mord verübt oder einen Juwelendiebstahl geplant, oder? Sie haben nichts getan, als dass Sie Ihren natürlichen Instinkten gefolgt sind. Sie haben sich in einen Mann verliebt, Sie haben sein Kind geboren – wahrscheinlich war eine Heirat ausgeschlossen –, das ist kein Verbrechen.«
    »Ich wusste von Anfang an, dass er mich nicht heiraten konnte«, erklärte Eileen.
    »Also gut. Sie hatten ein Verhältnis«, sagte Miss Bulstrode. »Wollten Sie das Kind haben?«
    »Ja, ich wollte es haben«, erwiderte Eileen Rich.
    »Ich verstehe… Und jetzt werde ich Ihnen auf den Kopf zusagen, dass Ihre
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