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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe
Autoren: Krystyna Kuhn
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und zurück. Katie hatte das hässliche Teil bei Ebay bestellt und verbrachte darin mehr Zeit als in ihrem Bett. Manchmal, wenn Julia an Katies Zimmer vorbeiging, hörte sie das ruhelose Knarzen des Stuhls. Nur eines der Dinge, die nicht zu ihrer verschlossenen Mitbewohnerin zu passen schienen, wie auch die Bilder und Fotos, mit denen sie die Wände ihres Zimmers tapeziert hatte.
    Katie war die Einzige, die das ungemütliche College-Zimmer mit der Holzdecke, den einfachen formlosen Möbeln und den grau gestrichenen Wänden umgeräumt hatte.
    Julia wich dem Schaukelstuhl aus, der immer noch hin und her schwang, und tastete sich nach vorne zum Bett. Immer noch war kein Geräusch zu hören.
    Kurz überlegte sie, ob sie Katie schlafen lassen sollte, aber sie war zu wach und zu aufgeputscht, um jetzt auf ihrem Bett zu sitzen und Däumchen zu drehen. Schließlich hatte Chris letzte Nacht die drei Worte gesagt: Ich liebe dich. Und Julia wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte. Sie musste einfach mit jemandem darüber reden!
    »Hey, Katie«, flüsterte sie.
    Keine Reaktion.
    Julia räusperte sich, diesmal hörbar. »Katie!«
    Wieder nichts.
    Mann, da half wirklich nur totale Schocktherapie. Julias Hand suchte nach der Nachttischlampe und im nächsten Moment wurde der Raum von einem grellen Licht erhellt, das sogar Julia blendete.
    Aber niemand schrie empört auf und Julia verstand nun auch, warum.
    Katies Bett war leer. Die Decke glatt gestrichen, das Kopfkissen schien unberührt.
    Als Julia ihre Hand unter die Decke schob, war das Laken eiskalt.
    Katie schien überhaupt nicht geschlafen zu haben – zumindest nicht in ihrem eigenen Bett.
    Und obwohl Julias Verstand ihr sagte, dass es dafür eine ganz natürliche Erklärung geben musste, schließlich war ihr eigenes Bett diese Nacht ebenfalls unberührt geblieben, konnte sie es nicht verhindern: Wieder stiegen die Bilder der furchtbaren Nacht vor drei Monaten in ihr auf.
    Die Nacht, die damit geendet hatte, dass Angela Finder, eine der Senior-Studentinnen im Tal, spurlos aus ihrem Zimmer verschwunden war. Julia und die anderen hatten sie gefunden – im See. Nie würde Julia den Anblick der Leiche vergessen, deren lange Haare das Wasser wie feine Fäden durchzogen hatten.

3
    N icht bewusstlos werden!
    Nicht bewusstlos werden!
    Du darfst nicht bewusstlos werden!
    Wie ein Mantra murmelte Katie die Worte, während sie hilflos in der Wand hing.
    Um die zwanzig Meter Abgrund klafften unter ihr. Wenn sie von diesem Felsvorsprung in die Tiefe stürzte, war es aus. Etwas Feuchtes lief Katies Stirn herunter, dort wo sie mit dem Kopf gegen den Felsen gestoßen war.
    Egal, scheißegal! Vergiss das Blut! Du musst dich einfach nur festhalten. Dichter an den Felsen ran! Er gibt dir Sicherheit. Komm schon, wozu hast du wochenlang trainiert?
    Ein Geräusch drang von oben zu ihr herunter. Ein Scharren, dann ein Rascheln. Es brachte Katie endgültig zur Besinnung.
    »Ist da jemand?« Erst einen Moment später wurde ihr klar, dass es ihre Stimme war, die da so dünn und fragend durch die Morgenluft klang. Sie versuchte es noch einmal, diesmal bestimmter: »Hier! Ich bin hier!«
    Keine Antwort. Nur der leise Wind, der über die Felswände strich, und das Dröhnen ihrer Stimme in den Ohren.
    Da war niemand. Natürlich nicht. Niemand trieb sich in der Sperrzone herum – schon gar nicht um diese Uhrzeit. Vermutlich war es ein Tier gewesen. Ein Tier, Katie? Wann hast du jemals hier im Tal ein Tier gesehen?
    Egal, Hauptsache, nicht noch ein Stein löste sich.
    Sichern!
    Die Abläufe, die Kletterbewegungen, die Katie sich so oft eingeprägt hatte, das immer gleiche Schema, das in der Wand über Überleben oder Tod entschied, tauchte aus den Tiefen ihres Unterbewusstseins auf und übernahm wieder die Kontrolle. Katie krallte die Finger fester in den Felsriss, dessen scharfe Kante ihr in die Hand schnitt, und atmete einmal tief ein und aus.
    Wären nur nicht ihre Zehen gewesen, die sich leblos und taub anfühlten! Als seien sie aus Plastik. Als Katie sie bewegte, um herauszufinden, ob sie nicht bereits abgefallen waren, spürte sie, wie der ganze Fuß ins Rutschen geriet.
    Verdammt! Festhalten und Gleichgewicht halten! Du bist doch keine Anfängerin!
    Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb und sie fühlte, wie ihr ganzer Körper zitterte. Katie wusste, dass sie sich beruhigen und die Konzentration zurückgewinnen musste, bevor sie weiterklettern konnte.
    Einatmen. Ausatmen. Den eigenen
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