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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman
Autoren: Lenos Verlag
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Problem. Wer nicht spielt, hat auch keine Karten, die er offen auf den Tisch legen kann.«
    Haxer reagierte jetzt verärgert, zerknüllte ein Papier und warf es in den Abfallkorb. »Ich habe mir nichts vorzuwerfen«, sagte er und zerknüllte ein weiteres Papier.
    »Wenn Sie so weitermachen, Haxer, können wir uns künftig das Schreddern von Akten ersparen, Sie machen das besser als jeder Papierfresser. Und ich denke, Sie haben mich verstanden.«
    »Eine Erklärung«, sagte Haxer, »eine Begründung, darauf zumindest habe ich Anspruch.«
    »Ich habe von Ihnen geträumt, Herr Haxer, das genügt mir. Ich bin dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen, weil ich auf mein Gefühl gehört und reflexartig die Kabine verlassen habe. Und mein Gefühl sagt mir, dass ich zu Ihnen kein Vertrauen haben kann.«
    »Weil Sie schlecht von mir geträumt haben?«
    »Weil Sie sich fragen müssen, welchen Anlass Sie mir dafür wohl gegeben haben.«
    »Sie suchen einen Sündenbock. Wenn ich jetzt von meinem Amt zurücktrete, dann wird man daraus Schlüsse ziehen, die verheerend für mich sein könnten.«
    »Wer weiss schon, Herr Haxer, welche Kausalitäten es gibt. Der Tod unserer Kabinettsfreunde erfordert ohnehin eine Regierungsumbildung. Sie leben zwar, was an sich sehr erfreulich ist, aber mehr lässt sich daraus nicht ableiten.«
    Haxer wollte jetzt Zeitungen zerfleddern, beherrschte sich aber.
    »Sie erschienen mir im Traum auf eine äusserst unangenehme Weise, und andererseits ist in der Realität nichts von Ihnen zu hören.«
    »Zuerst dachte ich, Sie seien unter den Toten, und dann … ich wollte mich nicht aufdrängen.«
    »Ich konstatiere zumindest in diesem Punkt eine Übereinstimmung: Sie drängen sich tatsächlich nicht mehr auf, Herr Haxer. Ab jetzt sind Sie krank, und ich melde Sie beim Krisenstab ab.«
    Haxer war perplex, fasste sich aber wieder und schaute die Kanzlerin auf eine Art und Weise an, die ihr unangenehm war. »Sind Sie ganz sicher, Frau Kanzlerin, dass Sie mich feuern wollen?«
    »Wollen Sie mir drohen, Herr Haxer? Wissen Sie, Leute, die meinen, gegen jemanden etwas in der Hand zu haben, sollten sich einfach die Hände waschen. Weil das, was sie möglicherweise in der Hand haben, immer etwas unappetitlich ist.«
    »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«
    »Herr Haxer, ich habe fast alle meine Schutzengel verloren. Und nun verliere ich eben auch noch einen Unschuldsengel.«

A ls die Kanzlerin in ihr Büro zurückkam, wartete Loderer schon. Er war nervös, gereizt und vor allem so unsicher, dass er fragte: »Bin ich zu früh?«
    »Konversationen dieser Art mag ich überhaupt nicht, Herr Loderer. Ich bin diejenige, die zu spät gekommen ist, und Sie wissen das.«
    In ihrem Büro brannten 25 Kerzen. »Eine nett gemeinte Geste meiner Büroleiterin«, sagte sie. »Wenn noch mehr Menschen gestorben wären, dann würden hier jetzt so viele Kerzen brennen, dass wir beide auch noch erstickten. Setzen Sie sich.« Sie ging zu ihrem Schreibtisch. »Herr Loderer, auch Tumore wollen ewig leben. Aber wenn sie einen Organismus besiegt haben, verschwinden auch sie.«
    »Ich möchte mich bei Ihnen für diese SMS entschuldigen, die Sie irrtümlich von mir erhalten haben und die …«
    »Ihr Privatleben interessiert mich nicht. Vielmehr frage ich mich: Ist die Natur haushälterisch? Geht sie sparsam um mitihren Organismen? Oder ist sie verschwenderisch, gierig und hemmungslos? Gibt es nur eine Ordnung, in der die Starken gewinnen und das Schwache ausgemerzt wird? Oder duldet die Natur auch Schwächen? Und falls ja, welche? Und kann es sein, dass Sie ein Problem mit Frauen haben, Herr Loderer?«
    »Der Trieb ist stärker als alles andere«, sagte er, gefasst, sofort unterbrochen zu werden, und als das nicht passierte, hatte er den Faden seiner Gedanken verloren, in denen es um die enorme Schubkraft dieses Triebes ging, der alles aus dem Weg räumte, was ihn bremsen könnte, auch die Moral, die Gesetze und Normalitäten, die ihn nicht bändigen konnten. Und trotzdem konnte dieser Trieb nicht befriedigt werden, weil die eigenen Gedanken störten und verstopften, was echt und lebendig war.
    »Es gefällt mir, Ihnen beim Denken zuzuschauen, Herr Loderer, und ich glaube nicht, dass das, was Ihnen durch den Kopf geht, Sie von anderen Menschen wesentlich unterscheidet.«
    »Die Natur braucht keine Zeugen«, sagte Loderer, aber jetzt unterbrach sie ihn: »Werden Sie nicht mirakulös, Herr Loderer. Und für Esoterik bin ich
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