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Die Kammer

Titel: Die Kammer
Autoren: John Grisham
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Badezimmerfußboden lag, und verließ mit den Jungen das Haus.
    Seine Kanzlei befaßte sich nicht ausschließlich mit Bürgerrechts-Prozessen; von denen gab es 1967 in Mississippi nicht so viele, daß man davon leben konnte. Er bearbeitete ein paar Kriminalfälle und eine ganze Reihe von Zivilsachen - Scheidungen, Grundstücksauflassungen, Konkurse, Immobilien. Und ungeachtet der Tatsache, daß sein Vater kaum mit ihm redete und der Rest der Familie kaum jemals seinen Namen aussprach, verbrachte Marvin ein Drittel seiner Zeit im Büro mit der Arbeit an Familienangelegenheiten. An diesem speziellen Morgen sollte er um neun Uhr vor Gericht erscheinen, um einen Antrag in einem Prozeß zu begründen, bei dem es um den Immobilienbesitz seines Onkels ging.
    Die Zwillinge liebten seine Kanzlei. Der Kindergarten wurde erst um acht geöffnet, also konnte Marvin noch eine Weile arbeiten, bevor er die Jungen ablieferte und sich anschließend ins Gericht begab. Das passierte vielleicht einmal im Monat. In der Tat verging kaum ein Tag, ohne daß einer der Zwillinge Marvin bat, sie in sein Büro mitzunehmen und erst danach in den Kindergarten zu bringen.
    Sie kamen gegen halb acht im Büro an, und sobald sie drinnen waren, steuerten die Zwillinge sofort auf den Schreibtisch der Sekretärin los und auf den dicken Stapel Papier, der darauf wartete, geschnitten, kopiert, zusammengeheftet und in Umschläge gesteckt zu werden. Die Kanzlei war ziemlich weitläufig und mit Anbauten im Laufe der Jahre hier und dort erweitert worden. Durch die Vordertür gelangte man in eine kleine Diele, in der, fast unter einer Treppe, der Schreibtisch der Empfangsdame stand. An der Wand standen vier Stühle für wartende Mandanten. Auf den Stühlen lagen Zeitschriften herum. Rechts und links der Diele befanden sich kleine Büros inzwischen arbeiteten drei weitere Anwälte für Marvin. Von der Diele aus führte ein Flur durchs Zentrum des Erdgeschosses, so daß man von der Vordertür aus die ungefähr fünfundzwanzig Meter entfernte Rückfront des Gebäudes sehen konnte. Marvins Büro war der größte Raum im Erdgeschoß, die letzte Tür auf der linken Seite, direkt neben dem vollgestopften Schrank. Dem Schrank genau gegenüber lag das Büro von Marvins Sekretärin. Sie hieß Helen und war eine attraktive junge Frau, von der Marvin seit achtzehn Monaten träumte.
    Oben, im ersten Stock, lagen die engen Büros eines der anderen Anwälte und zweier Sekretärinnen. Im zweiten Stock gab es weder Heizung noch Klimaanlage; er wurde als Speicher benutzt.
    Marvin traf normalerweise zwischen halb acht und acht im Büro ein, weil er gern eine ruhige Stunde zum Arbeiten hatte, bevor seine Mitarbeiter kamen und das Telefon zu läuten begann. Wie immer war er auch am Freitag, dem 21. April, der erste.
    Er schloß die Vordertür auf, schaltete das Licht ein und blieb in der Diele stehen. Er ermahnte die Zwillinge, auf Helens Schreibtisch kein Chaos anzurichten, aber sie waren bereits den Flur entlanggestürmt und hörten kein Wort. Als Marvin zum erstenmal den Kopf hineinsteckte und sie nochmals ermahnte, hatte Josh bereits die Schere in der Hand und John den Hefter. Er lächelte, dann begab er sich in sein Büro, wo er bald darauf tief in Recherchen versunken war.
    Ungefähr Viertel vor acht, wie er sich später im Krankenhaus erinnerte, war Marvin die Treppe zum zweiten Stock hinaufgestiegen, um eine alte Akte zu holen, die, wie er glaubte, für den Fall, an dem er gerade arbeitete, relevant war. Er murmelte etwas vor sich hin, während er die Treppe hinaufeilte. Wie sich die Dinge entwickelten, rettete diese alte Akte ihm das Leben. Die Jungen lachten irgendwo auf dem Flur im Erdgeschoß.
    Die Detonation schoß mit etlichen hundert Metern pro Sekunde aufwärts und in die Horizontale. Fünfzehn Stangen Dynamit verwandeln ein Haus mit Holzkonstruktion binnen Sekunden in Splitter und Geröll. Es dauerte eine volle Minute, bis die zerfetzten Balkenteile und andere Trümmer auf die Erde zurückkehrten. Der Grund schien zu zittern wie bei einem kleinen Erdbeben, und Glasscherben regneten, wie Zeugen später erklärten, eine Ewigkeit lang auf die Innenstadt von Greenville herab.
    Josh und John Kramer waren keine fünf Meter vom Epizentrum der Detonation entfernt und bekamen glücklicherweise nichts von dem mehr mit, was passierte. Sie mußten nicht leiden. Ihre zerschmetterten Körper wurden von Feuerwehrleuten unter einer zwei Meter dicken Geröllschicht gefunden. Marvin
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