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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame
Autoren: Alexandre Dumas
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eine Stille, und man musterte den Mann, der sich um jeden Preis in den Besitz des Buches setzen wollte. Es schien so, als ob der Ton, in dem ich das letzte Wort gesagt hatte, meinen Gegner weit mehr besiegte als die Höhe der Summe: er gab den Kampf auf, der für mich damit endete, daß ich das Buch zu dem zehnfachen Preis seines Wertes erwarb. Mein Gegner verbeugte sich und sagte sehr höflich, wenn auch ein wenig spät: »Ich verzichte, mein Herr.«
Niemand überbot mich, und das Buch wurde mir zugesprochen.
Da ich einen erneuten Kampf fürchtete, der, dessen war ich gewiß, wieder zu meinen Gunsten entschieden würde, dem aber mein Geldbeutel nicht gewachsen war, so ließ ich meinen Namen einschreiben, das Buch zurücklegen und ging fort. Ich hätte viel darum gegeben, wenn ich die Gedanken der Menschen hätte lesen können, die der Szene beigewohnt hatten. Sicher fragten sie sich, weshalb ich für ein Buch hundert Francs zahlte, das ich für zehn, höchstens fünfzehn Francs in jedem Laden kaufen konnte.
Eine Stunde später ließ ich mein ersteigertes Buch abholen. Auf der ersten Seite stand mit Tinte in eleganter Handschrift eine Widmung, zweifellos von dem, der ihr das Buch geschenkt hatte.
Sie bestand nur aus diesen Worten:
    Manon für Marguerite In Demut
Unterschrieben war: Armand Duval. Was sollte das Wort »Demut« bedeuten? War Marguerite nach Ansicht des Herrn Armand Duval Manon an Verworfenheit oder an Empfindsamkeit überlegen? Die zweite Deutung war die wahrscheinlichere. Die erste wäre eine Ungezogenheit gewesen, die Marguerite sich niemals hätte gefallen lassen, trotz der Meinung, die sie von sich selber hatte.
Ich ging noch einmal aus und beschäftigte mich mit dem Buch erst wieder am Abend vor dem Einschlafen. Oh, gewiß, »Manon Lescaut« ist eine rührende Geschichte. Jede Einzelheit ist mir vertraut. Aber da ich das Buch nun einmal in der Hand hielt und es mich immer wieder anzieht, öffnete ich es und erlebte zum hundertsten Male die Ereignisse im Dasein der Heldin des Abbe Prevost mit. Diese Manon ist so lebendig, daß mir oft so ist, als habe ich sie gekannt. Unter diesen veränderten Umständen, der Möglichkeit eines Vergleiches zwischen ihr und Marguerite, hatte diese Lektüre für mich eine neue, unerwartete Anziehungskraft. In meine Nachsicht mischte sich Mitleid, fast muß ich sagen: Liebe für dieses arme Kind, aus dessen Nachlaß der Band stammte. Manon war in der Wüste gestorben, ja, aber in den Armen des Mannes, der sie mit allen Fasern seines Herzens geliebt hatte, der der Toten mit seinen Händen ein Grab aushöhlte, es mit seinen Tränen netzte und sein eigenes Herz mit in die Erde legte. Marguerite indessen, Sünderin wie Manon und vielleicht wie diese reuig bekehrt, war, wenn ich dem glaubte, was ich gesehen hatte, umgeben von Glanz und Pracht gestorben, auf dem Lager einer bewegten Vergangenheit, aber dennoch auch in einer Wüste, in der Wüste des Herzens nämlich, die noch viel rauher, viel verlassener, viel mitleidsloser ist als die, in der man Manon begraben hatte.
Tatsächlich hatte Marguerite auf ihrem Lager in den zwei Monaten ihres langsamen und schmerzvollen Dahinsiechens keinen wirklichen Trost erfahren, wie ich von Freunden gehört hatte, die über die letzte Zeit etwas wußten. Von Manon und Marguerite wanderten meine Gedanken weiter zu allen denen, die ich kannte und die ich heiteren Gemütes einem Tod entgegengehen sah, der fast immer der gleiche ist.
Arme Wesen! Wenn es ein Irrtum ist, sie zu lieben, so muß man sie doch wenigstens bedauern. Bedauert man doch den Blinden, der nie das Tageslicht sah, den Tauben, der niemals die Laute der Natur vernahm, den Stummen, der niemals seine Seele in Worte fassen konnte. Und aus falscher Scham will man nicht diese Blindheit des Herzens, diese Stummheit der Seele, dies Schweigen des Gewissens bedauern, die diese armen Unglücklichen verwirren, die sie, gegen ihren eigenen Willen, unfähig machen, das Gute zu sehen, den Erlöser zu hören und die Sprache der reinen Liebe und des reinen Glaubens zu sprechen.
Victor Hugo hat eine Marion Delorme geschaffen, Musset eine Bernerette, Alexander Dumas eine Fernande, die Dichter und Denker aller Zeiten haben der Kurtisane das Opfer ihrer Barmherzigkeit gebracht. Manchmal hat ein vornehmer Mann sie rehabilitiert und ihnen seine Liebe, ja sogar seinen Namen gegeben. Wenn ich diesen Punkt so wichtig nehme, dann deshalb, weil viele, die mein Buch zu lesen begonnen haben, im Begriff
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