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Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Autoren: Bernd Schneidmüller
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abbildete, waren dies keine Kleinigkeiten, auch wenn Enea Silvio resigniert festhielt:«Aber in diesen Dingen lässt sich keine bestimmte Regel festhalten. In den menschlichen Verhältnissen gibt es keine Beständigkeit.» Endlich erhielt Friedrich die kaiserlichen Insignien, das Zepter als Zeichen der Machtvollkommenheit, den Reichsapfel als Zeichen der Weltherrschaft, das Schwert als Zeichen der Kriegsgewalt. Der Kaiserin gab der Papst eine Krone, die noch von Kaiser Sigmund herstammte, dem Kaiser wurde die goldene Krone mit Inful, den Bändern der liturgischen Kopfbedeckung, von Bischöfen und hohen geistlichen Würdenträgern aufs Haupt gesetzt. Friedrich hatte neuen prächtigen Schmuck mitgebracht, dazu aus dem Nürnberger «Archiv» auch Mantel, Schwert, Zepter, Apfel und Krone Karls des Großen, «wie sie die Sage nannte». Für Enea Silvio stand hohes Alter indes nicht mehr für größte Ehrwürdigkeit. Er zweifelte sogar am Volksgerede über Karl den Großen und hielt in Abwägung des raschen Modewandels die alten Gewänder für bäurisch: «Wenn wir doch die Alten so sehr an Tüchtigkeit überträfen, wie wir ihnen an Eitelkeit voraus sind.» Tradition verband sich mit Nachdenklichkeit.
    Fast wäre die Mitra des Papstes bei der Krönungsmesse heruntergefallen, ein übles Vorzeichen. Vor dem Petersdom leistete der Kaiser am Schimmel des Papstes den Stratordienst und erhielt dafür eine goldene Rose. Auf der Engelsbrücke schlug Friedrich den eigenen Bruder wie 200 oder 300 Herzöge und Grafen durch dreimalige Berührung mit der flachen Schwertklinge zu Rittern. Den Deutschen, so wusste Enea Silvio, galt das römische Zeremoniell als höchste Vollendung des Rittertums; danach folgten die Rittererhebungen in Aachen, Jerusalem und andernorts. Doch dem gelehrten Beobachter schien das Rittertum als Kulturform bereits ebenso angefochten wie die Doktorwürde, die der Kaiser für bloßes Geld vergab. Nach Sonnenuntergang wurde Friedrich III. unter die Chorherren der Laterankirche aufgenommen und absolvierte ein glänzendes Gastmahl bis nach Mitternacht, erschöpft von der Last der Insignien und den vielen Ritterschlägen.
    Noch immer verschaffte das Kaisertum Gestaltungskraft im Reich und zeremoniellen Vorrang in einem zusammenrückendenwie zunehmend bedrohten Europa. Die türkische Expansion beendete ein Jahr nach der letzten römischen Kaiserkrönung durch die Eroberung Konstantinopels das christliche Doppelkaisertum. Alle päpstlichen Initiativen hatten dem schrumpfenden Reich am Bosporus keine Überlebenschance mehr beschert, vielmehr die Kraftlosigkeit der lateinischen Welt schonungslos offen gelegt. Der Tod des letzten byzantinischen Kaisers Konstantin XI. 1453 erschien dem lateinischen Westen als Menetekel. Alle flammenden Reden auf die neue europäische Schicksalsgemeinschaft erwiesen letztlich die verlorene Integrationskraft der alten universalen Mächte. Die Chiffre Europa stand jetzt für politische Ratlosigkeit.
    In seinem Reich regierte der Kaiser mit oder neben den Säulen und Gliedern des Reichs. Der Reichstag als politische Bühne von Aushandlung und Inszenierung wandelte sich bis zum frühen 16. Jahrhundert, lernte immer besser, ohne den Herrscher auszukommen, und öffnete sich den Grafen und Städten. Beständige Finanznot durch die Hussiten- und Türkenkriege wie durch Kriege gegen Franzosen und Eidgenossen machte den Konsens jener Glieder nötig, welche all das bezahlten. Zeichenhaft bildete sich die korporative Reichsverfassung nicht mehr nur allein in Darstellungen von König und Kurfürsten ab. Seit dem 15. Jahrhundert erfreute sich das Quaternionensystem zunehmender Beliebtheit, das die Glieder des Reichs in zehn variierenden Vierergruppen ordnete: vier Herzöge (Pfalzgraf bei Rhein, Braunschweig, Schwaben, Lothringen), vier Markgrafen (Meißen, Brandenburg, Mähren, Lothringen), vier Landgrafen (Thüringen, Hessen, Leuchtenberg, Elsass), vier Burggrafen (Nürnberg, Magdeburg, Rieneck, Stromberg), vier Grafen (Cleve, Schwarzburg, Cilli, Savoyen), vier Edelfreie (Limpurg, Tusis, Westerburg, Alwalden), vier Ritter (Andlau, Strandeck, Meldingen, Frauenberg), vier Städte (Augsburg, Mainz, Aachen, Lübeck), vier Dörfer (Bamberg, Schlettstadt, Hagenau, Ulm), vier Bauern (Köln, Regensburg, Konstanz, Salzburg). Entstehung und Sinn dieses Systems sind ebenso wenig geklärt wie viele andere wichtige Prinzipien der Reichsordnung. Die wachsende Beliebtheit drückte sich in farbigen Wappendarstellungen
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