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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut
Autoren: Catherine Coulter
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einzuschätzen.«
    »Vielleicht haben Sie ja schon eine Dame gefunden, die Ihren finanziellen Anforderungen entspricht.«
    Er mußte grinsen. »Ich habe mich unverblümt ausgedrückt, stimmt's? Nein, ich habe noch keine gefunden, wie Sie zweifellos bereits wissen, nachdem Sie meine Jammertirade gehört haben. Ehrlich gesagt, sind Sie die hübscheste junge Dame, der ich hier in London bisher begegnet bin. Vor allem sind Sie groß, und ich bekomme keinen Krampf im Nacken, wenn ich mich mit Ihnen unterhalte.«
    »Ich bin leider etwas zu groß geraten. Meine Brüder finden mich zwar ganz hübsch, aber es freut mich sehr, daß auch Sie dieser Meinung sind, Mylord. Wie gesagt, dies ist meine zweite Saison, und ich hatte eigentlich gar keine Lust dazu, weil diese ganzen Veranstaltungen oft schrecklich langweilig sind, aber dann habe ich Sie gesehen, und plötzlich war alles ganz anders.«
    Sie starrte ihn noch immer an, und er registrierte bestürzt den hungrigen Ausdruck ihrer schönen blauen Augen.
    So etwas hatte er wirklich noch nie erlebt. Er fühlte sich überrumpelt und kam sich reichlich töricht vor. Dabei war er im allgemeinen nicht leicht aus der Fassung zu bringen und genoß den Ruf, Herr jeder Lage zu sein.
    »Kommen Sie hierher, raus aus dem größten Gedränge. Ja, so ist es besser. Hören Sie zu, das ist eine sehr ungewöhnliche Situation. Könnte ich Sie vielleicht morgen besuchen? Eine junge Dame kommt auf uns zu, und sie sieht zu allem entschlossen aus.«
    Sie schenkte ihm ein betörendes Lächeln. »O ja, ich würde mich sehr freuen.« Sie nannte ihm die Adresse des Stadthauses am Putnam Place. »Das muß meine Schwägerin Alex sein.«
    »Und wie ist Ihr voller Name?«
    »Alle nennen mich nur Sinjun.«
    »Ja, aber das gefällt mir nicht. Ich bevorzuge Joan.«
    »Also gut. Genau genommen, bin ich Lady Joan, denn mein Vater war ein Graf. Lady Joan Elaine Winthrop Sherbrooke.«
    »Ich werde Sie am Vormittag besuchen. Möchten Sie mit mir ausreiten?«
    Sie nickte, den Blick unverwandt auf seinen Mund und seine weißen Zähne gerichtet, und beugte sich unbewußt ihm entgegen. Colin schnappte nach Luft und wich hastig zurück. Allmächtiger, die Kleine war ja draufgängerischer als jeder Husar! Sie hatte sich also auf den ersten Blick in ihn verliebt. Ha! Er würde morgen mit ihr ausreiten, herausfinden, was sie mit diesem albernen Spiel bezweckte, und sie vielleicht küssen und ein bißchen begrapschen, um ihr eine Lektion zu erteilen. Ein verdammt unverschämtes Geschöpf — und dabei war sie Engländerin! Bisher hatte er gedacht, junge Engländerinnen wären zurückhaltend. Von diesem Mädchen konnte man das beim besten Willen nicht behaupten.
    »Also dann, bis morgen.«
    Colin entfernte sich hastig, bevor diese Schwägerin ihn stellen konnte. Er suchte nach Brass und schleppte seinen Freund mit sich ins Freie. »Hör auf zu jammern«, rief er. »Hier draußen wirst du wenigstens nicht dauernd von Weibern abgelenkt. Und jetzt erklär mir bitte, was eigentlich gespielt wird. Wahrscheinlich steckst du hinter diesem absurden Scherz, und ich möchte wissen, warum du dieses Mädchen auf mich angesetzt hast. Mir ist immer noch ganz schwindelig von ihrer Unverschämtheit.«
    Alex beobachtete, wie der Schotte Lord Brassley aus dem riesigen Foyer zog. Dann sah sie Sinjun an, die ihrem Schwarm mit verzückter Miene nachblickte. Es war nicht schwer zu erraten, daß Sinjuns Gedanken keineswegs so prosaisch wie ihre eigenen waren.
    »Er sieht ganz interessant aus«, brachte sie den Ball ins Rollen.
    »Interessant? Red kein dummes Zeug, Alex. Er ist bildschön, einfach vollkommen. Hast du denn seine Augen nicht gesehen? Und die Art, wie er lächelt und spricht, ist . . .«
    »Ja, meine Liebe, aber komm jetzt. Die Pause ist gleich vorbei, und Douglas macht schon ein böses Gesicht.«
    Es fiel Alex sehr schwer, ihren Mann nicht sofort in die neueste Entwicklung einzuweihen. Sobald sie zu Hause waren, gab sie Sinjun einen flüchtigen Gutenachtkuß und zog Douglas sodann an der Hand ins Schlafzimmer.
    »Begehrst du mich so rasend?« fragte er amüsiert.
    »Sinjun hat Colin Kinross kennengelernt. Ich habe gesehen, daß sie ihn angesprochen hat, und ich befürchte, daß sie ziemlich vorlaut war.«
    Douglas trug einen Leuchter zu dem Tisch neben dem breiten Bett, blickte nachdenklich in die Flammen und zuckte schließlich die Achseln. »Lassen wir die Sache bis morgen auf sich beruhen. Sinjun ist weder dumm noch ungehobelt.
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