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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut
Autoren: Catherine Coulter
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erstmals, ob er sein Versprechen halten und sie wirklich freilassen würde.
    »Ich habe Hunger«, sagte sie, gierig auf die zweite braune Tüte starrend.
    »Tut mir leid, aber ich bin ein großer Mann, und da bleibt für dich nichts übrig. Vielleicht ein bißchen für die Ratten, aber nicht für dich. Sehr bedauerlich.«
    Sie mußte zusehen, wie er auch die zweite Tüte leerte, beide zerknüllte und in die Ecke warf. Ein Geruch von Brot und Wurst erfüllte den kleinen Raum und ließ Sinjun das Wasser im Munde zusammenlaufen. »Wenn die Ratten sich über die Reste hermachen wollen, müssen sie zuerst die Tüten zernagen«, lachte MacDuff. Er schien das sehr komisch zu finden.
    Fast frei, dachte sie trotzdem, fast habe ich es geschafft! Ihr Gefängniswärter stand auf und streckte sich genüßlich, wobei seine Hände fast die Decke berührten.
    »Vielleicht könntest du mir jetzt erzählen, warum du das alles machst.«
    Er betrachtete die Schwellung an ihrem Kinn — die Spuren seiner Faust. »Als du mich das gestern abend gefragt hast, war ich heftig versucht, dir noch einen Kinnhaken zu versetzen.« Er rieb seine Faust an der offenen Handfläche. »Jetzt siehst du gar nicht mehr damenhaft aus, liebe Gräfin von Ashburnham. Viel eher wie eine Nutte aus Soho.«
    »Hast du Angst, es mir zu erzählen? Glaubst du, daß ich mich irgendwie befreien und dich umbringen könnte? Du hast Angst vor mir, stimmt's?«
    Er warf den Kopf zurück und lachte schallend.
    Sinjun wartete und hoffte nur, daß er nicht zuschlagen würde. Ihr Kinn tat immer noch schrecklich weh. Sie richtete ein Stoßgebet zum Himmel, daß er sie nicht auf der Stelle töten würde.
    »Du willst mich wohl zum Reden verleiten, was? Na ja, warum eigentlich nicht? Du bist nicht dumm, Sinjun. Du weißt genau, daß ich dich und Colin mit Leichtigkeit umbringen kann, wenn ich will. Du bist so ganz anders als Fiona. Colin muß sich wirklich wie im siebten Himmel fühlen, denn du hast nicht nur Geld, sondern auch noch ein kluges Köpfchen. Vielleicht sollte ich euch beide doch ins Jenseits befördern. Ich werde darüber nachdenken. Aber für den Ausgang dieser Geschichte spielt es überhaupt keine Rolle, ob ich dir meine Motive verrate oder nicht, und es wäre vielleicht gar kein schlechter Zeitvertreib.«
    Er streckte sich noch einmal und begann in dem kleinen Raum hin und her zu laufen. »Was für ein gräßlicher Schmutz!« knurrte er vor sich hin.
    Sinjun bewegte vorsichtig ihre auf dem Rücken gefesselten Hände.
    »Colin ist ein Bastard«, sagte MacDuff plötzlich grinsend. »O ja, ein echter Bastard, denn seine Mutter war eine Hure und hat mit einem anderen Mann geschlafen. Arleth wußte das, aber weil sie hoffte, daß der Graf sie nach dem Tod von Colins Mutter heiraten würde, wollte sie ihn nicht erzürnen, indem sie ihm die Wahrheit über seine Frau erzählte. Deshalb erfand sie die Geschichte von dem Kelpie. Was heißt da Kelpie? Ihr Geliebter war ein Mann aus Fleisch und Blut, mit einem Schwanz aus Fleisch und Blut.
    Der alte Graf hat Arleth nie geheiratet. Er ist nur mit ihr ins Bett gegangen, und dann ist er gestorben, und Malcolm wurde Graf. Arleth liebte Malcolm aus unerfindlichen Gründen, denn er war ein durch und durch verkommener Kerl, dumm und manchmal sehr grausam. Dann ist auch Malcolm gestorben und schmort jetzt bestimmt in der Hölle. Colin wurde zum Earl of Ashburnham.
    Aber er ist ein Bastard, und eigentlich hätte ich Graf werden und Vere Castle erben müssen. Arleth war völlig verstört, als Malcolm starb. Sie haßte Colin und versprach, mir einen Beweis für seine illegitime Abstammung zu liefern. Die alte Hexe sagte, sobald ich diesen Beweis in Händen hätte, müßte Colin verzichten, und ich würde Earl of Ashburnham sein.«
    Er war jetzt außer sich vor Wut, und Sinjun saß regungslos da und gestand sich ein, daß sie noch nie im Leben solche Angst gehabt hatte.
    Zum Glück beruhigte er sich gleich darauf ein wenig, und als er weiterredete, erinnerte es Sinjun an eine Art Singsang, so als hätte er sich diese Worte schon sehr oft vorgesagt, vielleicht, um Schuldgefühle zu ersticken.
    »Arleth hat versucht, dich zu töten, indem sie dir während deiner Krankheit jede Hilfe verweigerte. Sie wollte sich auf diese Weise an Colin rächen, weil er lebte, während ihr geliebter Malcolm tot war. Bedauerlicherweise hast du überlebt. Und dann bekam die alte Hexe plötzlich Gewissensbisse. Stell dir das nur mal vor! Nach all den Jahren
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