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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Autoren: Scott McBain
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der Papst über die Zukunft gemacht hatte, geschah nichts. Einem Großteil der Welt ging es sogar gut. Die fetten Jahre: als die Reichen sich die Mägen vollschlugen und die Armen zu hungern begannen.

2
    Ich gewähre Gnade, wem ich will,
und ich schenke Erbarmen, wem ich will.
    2. Mose 33,19
     
    I n Ägypten schlug auf den Straßen von Alexandria eine Kirchenglocke langsam elf. Die Kirche galt als die älteste der Stadt, und die Glocke wurde stets zu dieser Zeit geläutet. Wann man damit begonnen hatte, wusste niemand, und da die Kirche angeblich vom Evangelisten Markus gegründet worden war, lebte auch keiner mehr, der sich daran erinnern konnte. Doch die Glocke wurde geläutet im Gedenken an den Heiligen. 60 nach Christus war das Jahr gewesen, in dem Markus aus Rom kommend in Alexandria eintraf. Aufgrund der Wunder, die er vollbrachte, bekehrte er schon bald viele zum Glauben und wurde per Akklamation zum Bischof von Alexandria gewählt. Doch die Bürger waren wankelmütig – wie es Stadtbewohner in der ganzen Welt sind, nicht wahr? Sie wussten, wie sie einen guten Christen willkommen heißen konnten. Zunächst taten sie es mit Lob; dann mit dem Kreuz. Während der Serapis-Feierlichkeiten im Jahr 68 zerrte eine wütende Menge den Autor des ersten Evangeliums durch die Straßen und prügelte ihn zu Tode. Als die Menge weitergezogen war, bargen Freunde des Apostels (er hatte einige) den geschundenen Körper, damit er nicht den Hunden zum Fraß vorgeworfen wurde. Sie trugen ihn in die Kirche, und so wurde er unter dem Gebäude begraben, für dessen Errichtung er sich voll Enthusiasmus eingesetzt hatte. Doch wie alle Kleriker wissen, ist ein Leichnam nicht nur ein Sack Knochen – mit der Zeit wird daraus eine Investition. Im Jahr 828 stahl eine Gruppe italienischer Pilger, die Alexandria besuchten, die Reliquien des Heiligen. Später tauchten diese in der neu erbauten Markuskirche in Venedig auf. Natürlich war niemand aus der Hierarchie des Vatikans daran beteiligt.
    Zwar waren seine Gebeine umgesiedelt worden, dennoch wollte der Heilige unbedingt in seiner Heimatstadt präsent bleiben, und so wurde (hilfreicherweise) entdeckt, dass ein Teil von ihm von den Reliquienjägern zurückgelassen worden war. Folglich begann jeder Patriarch von Alexandria, der hinfort ernannt wurde, seine Amtszeit, indem er den Schädel des Apostels auf seinem Schoß hielt. Die Zeit verging … der Schädel wurde weitergereicht. Dann verschwand er plötzlich, vor mehr als dreihundert Jahren. Wer ihn gestohlen hatte, wusste niemand; auch nicht, wohin er gelangt war. Im Jahr 1968 beschloss der Vatikan, andere Reliquien des Evangelisten Markus Alexandria zurückzugeben. Und so kehrte – was nur sehr wenigen bekannt war – sein Schädel auf geheimnisvolle Weise aus seinem sicheren Ort im Turm der Winde zurück. Der bedeutende Heilige war heimgekehrt, so wie – auf der ganzen Welt – viele andere Heilige heimkehrten. Denn sie wollten zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.
    Außer der Kathedrale gab es noch eine andere Kirche in Alexandria, nicht weit von dieser entfernt, die ebenfalls nach dem Apostel benannt war. Sie hieß Kirche des heiligen Markus. Einige alte Bücher behaupteten, sie sei auf den Fundamenten des Hauses errichtet worden, in dem der Apostel lebte, als er in die Stadt kam. Theologische Experten taten das jedoch als bloße Legende ab, und weil die Kirche unscheinbar war und in einem der ärmeren Stadtviertel von Alexandria lag, war sie so gut wie unbekannt. Im 19. Jahrhundert hatte man die bestehende kleine Kirche durch ein quadratisches Gebäude im westlichen Baustil ersetzt. Später kamen ein Garten und ein zweigeschossiges Priesterseminar hinzu, wie auch ein Gitterzaun mit einem imposanten gusseisernen Eingangstor. Bäume wurden um das Grundstück gepflanzt. Auf diese Weise wurde die Kirche von anderen Gebäuden abgegrenzt. Nach der raschen Ausweitung der Stadt und dem Abriss älterer Häuser in dem Viertel stand die Kirche jedoch schließlich eingezwängt in einer Seitenstraße neben verschiedenen kleinen Läden und Werkstätten, die in unmittelbarer Nähe errichtet worden waren. Auch die Zusammensetzung der Einwohnerschaft wandelte sich. Viele koptische Familien waren fortgezogen, und solche, die anderen Konfessionen – oder gar keiner – angehörten, zogen in das Viertel. Das Resultat: Die Markus-Kirche (Kirche, um sie von der bedeutenden Kathedrale zu unterscheiden) lag sehr abseits. Das Einzige, was
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