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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada
Autoren: Jules Verne
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Blüthen und regellos verschlungenen Lianen ganz verschwanden.
    In einiger Entfernung, hinter riesigen Büschen und unter dem Dickicht baumartiger Pflanzen, erhoben sich die Baulichkeiten, in denen das Personal der Fazenda wohnte, das Gesindehaus, die Hütten der Neger und die karaïbischen Wohnzelte der Indianer. Von dem mit Rosen und Wasserpflanzen eingerahmten Stromufer aus sah man also nur das erste Haus.
    Eine geräumige, längs der Lagunen gelegene Campine bot treffliches Weideland. Hier tummelten sich zahlreiche Thiere. Diese wurden zu einer neuen Quelle reichen Ertrages in diesen fruchtbaren Landstrichen, wo eine Heerde sich in vier Jahren verdoppelt und dabei doch zehn Procent Ertrag abwirft, nur aus dem Nebenverkaufe des Fleisches und der Häute der für den Bedarf der Züchter geschlachteten Thiere. Auf anderen gerodeten Stellen wurden einige »Sitios« oder Anpflanzungen von Manioc und Kaffee angelegt. Die Zuckerrohrfelder machten bald die Anlage eines Mühlenwerkes zur Zermalmung der Rohrstengel nothwendig, aus denen Melasse, Tafia und Rum gewonnen wurde. Kurz, zehn Jahre nach dem Eintritte Joam Garral’s war die Farm bei Iquitos zu einer der reichsten Niederlassungen am oberen Amazonenstrome geworden, und befand sich bei der sicheren Leitung durch den jungen Verwalter, der die Arbeiten im Inneren und die Geschäfte nach außen überwachte, noch immer in fortschreitendem Gedeihen.
    Der Portugiese hatte nicht so lange gewartet, sich für Alles, was er Joam Garral verdankte, erkenntlich zu zeigen. Um ihn nach Gebühr zu belohnen, überließ er demselben zunächst einen Antheil an den Einkünften des Geschäftes; vier Jahre später machte er ihn zum wirklichen Theilhaber mit gleichen Rechten und gleichen Antheilen wie er selbst.
    Seine Gedanken reichten aber noch weiter. Yaquita, seine Tochter, hatte ebenso wie er an dem schweigsamen, gegen Andere milden, gegen sich selbst strengen jungen Manne die liebenswürdigsten Eigenschaften des Geistes und Herzens bald genug erkannt. Sie liebte ihn; obwohl Joam aber gegenüber den Verdiensten und der Schönheit des munteren, thätigen Mädchens nicht unempfindlich blieb, so schien er doch, aus Stolz oder Schüchternheit, gar nicht daran zu denken, um ihre Hand anzuhalten.
    Ein trauriger Unfall beschleunigte die Lösung dieser Frage.
    Magelhaës wurde eines Tages beim Fällen eines Baumes von dem umstürzenden Stamme tödtlich verwundet. Fast bewegungslos nach der Farm zurückgebracht und im Vorgefühl seines nahen Endes ergriff er die Hand Yaquitas, die an seiner Seite weinte, legte sie in die Joam Garral’s und verlangte von diesem einen Eid, daß er das Mädchen zum Weibe nähme.
    »Du hast mein Glück begründet, sagte er, und ich werde nur dann ruhig sterben, wenn ich dieses Band geknüpft und die Zukunft meines Kindes gesichert weiß!
    – Ich kann ja ihr ergebener Diener, ihr Bruder, ihr Beschützer bleiben, ohne deshalb ihr Gatte zu werden, hatte Joam Garral zuerst geantwortet. Ich verdanke Euch Alles, Magelhaës, und werde das niemals vergessen, der Preis aber, mit dem Ihr meine Leistungen belohnen wollt, übersteigt deren Werth!«
    Der Greis verharrte bei seinem Herzenswunsche. Der Tod gewährte ihm nicht lange Zeit zum Warten, er drängte zu einem Versprechen und erlangte dasselbe.
    Yaquita zählte damals zweiundzwanzig Jahre, Joam Garral sechsundzwanzig. Beide liebten sich und vermählten sich einige Stunden vor dem Tode Magelhaës’, der noch die Kraft fand, ihren Bund zu segnen.
    In Folge dieser Ereignisse wurde Joam Garral im Jahre 1830 der neue Fazender von Iquitos, zur größten Befriedigung Aller, welche zum Personal der Farm gehörten. Die Wohlfahrt der ganzen Niederlassung konnte unter der Vereinigung beider leitenden Kräfte in einem Herzen nur gewinnen.
    Ein Jahr nach der Verehelichung schenkte Yaquita dem Gatten einen Sohn, zwei Jahre nachher eine Tochter. Benito und Minha, die Enkel des alten Portugiesen, sollten ihres Großvaters, die Kinder ihrer Eltern würdig werden.
    Das junge Mädchen war ein reizendes Geschöpf. Niemals verließ sie die Fazenda. Aufgewachsen in einer reinen und gefunden Umgebung, inmitten der herrlichen Natur der Tropenzone, genügte ihr die Erziehung, welche sie seitens der Mutter genoß, und der Unterricht, den sie vom Vater erhielt. Was hätte sie in einem Kloster von Manao oder Belem weiter lernen können? Wo hätte sie bessere Vorbilder aller weiblichen Tugenden vor Augen gehabt? Würde Geist und Herz sich bei
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