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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada
Autoren: Jules Verne
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Nanay begründet worden. Nach Norden zu begrenzte sie dieser Fluß eine kleine Meile weit, und nach Osten erstreckte sie sich etwa eben so weit an dem großen Strome hin. Gegen Westen schieden sie mehrere kleine Wasserläufe, meist Nebenflüsse des Nanay und mehrere mittelgroße Lagunen von der Savanne und den zur Viehweide benutzten Campinen (das sind große, sumpfige Haidestrecken).
    Im Jahre 1826 – sechsundzwanzig Jahre vor der Zeit, mit der diese Erzählung beginnt – hatte Joam Garral bei dem Eigenthümer der Fazenda Aufnahme gefunden.
    Dieser Portugiese, Namens Magelhaës, trieb keine andere Industrie als die Ausbeutung der Wälder, und sein erst vor kurzer Zeit begründetes Etablissement dehnte sich kaum eine halbe Meile am Ufer des Flusses aus. Hier lebte Magelhaës – gastfreundlich wie alle reichen Portugiesen – mit seiner Tochter Yaquita, welche nach dem Tode der Mutter dem Hauswesen vorstand. Magelhaës war zwar ein tüchtiger Arbeiter, der vor keiner Mühe zurückscheute, doch fehlte es ihm zu sehr an höherer Bildung. Er wußte mit den wenigen Sklaven, die er besaß, und mit einem Dutzend Indianern, die er besoldete, wohl fertig zu werden, vermochte dagegen den Betrieb seines Handels nach außen hin nur sehr mangelhaft zu leiten. Aus Mangel an Kenntniß ging es mit dem Etablissement bei Iquitos auch nicht so recht vorwärts, und die Verhältnisse des portugiesischen Händlers blieben immer ziemlich gedrückte.
    Unter solchen Umständen trat Joam Garral, der damals zweiundzwanzig Jahre zählte, Magelhaës zuerst entgegen. Völlig kraftlos und aller Hilfsmittel baar war er in das Land gekommen. Magelhaës hatte ihn halbtodt vor Hunger und Erschöpfung im nahen Walde gefunden. Der Portugiese besaß ein weiches Herz. Er fragte den Unbekannten nicht, woher er kam, sondern bekümmerte sich nur darum, was er bedürfe. Die trotz seiner Erschöpfung vornehme und stolze Erscheinung Joam Garral’s machte auf ihn einen gewissen Eindruck. Er nahm sich also seiner an, half ihm weiter und bot ihm, zunächst für einige Tage, Aufenthalt in seinem Hause an, der das ganze Leben hindurch dauern sollte.
    Wir geben hier kurz die Umstände wieder, unter denen Joam Garral in die Farm von Iquitos eintrat.
    Von Geburt Brasilianer, war er ohne Familie wie ohne Vermögen. Gram und Kummer, sagte er, hatten ihn veranlaßt, auf Nimmerwiederkehr auszuwandern. Er bat seinen Wirth um Erlaubniß, von den ebenso schweren, wie unverschuldeten Unfällen, die ihn betroffen hatten, schweigen zu dürfen. Er suchte, er ersehnte ja nichts als ein neues Leben, ein Leben voller Arbeit. Mit dem Gedanken, in einer Fazenda des inneren Landes Unterkommen zu finden, war er auf gut Glück in die Welt gegangen. Unterrichtet und offenen Kopfes, zeigte seine ganze Erscheinung ein unerklärliches Etwas, woraus man in ihm einen verständigen Mann mit klarem Verstande und bewußtem Willen erkannte. Magelhaës lernte ihn schnell schätzen und bot ihm deshalb an, auf seiner Farm zu bleiben, wo er ganz geeignet schien, da einzuspringen, wo es dem würdigen Farmer an Kenntniß und Ausbildung mangelte.
    Joam Garral ging ohne Zögern auf das Angebot ein. Früher hatte er zwar beabsichtigt in einem »Seringal«, das ist eine Kautschukmanufactur, Anstellung zu suchen, wo ein guter Arbeiter jener Zeit fünf bis sechs Piaster 1
    täglich verdiente und bei wenigem Glück Aussicht hatte, selbst Eigenthümer zu werden; Magelhaës belehrte ihn aber, daß dieser Lohn nur deshalb so hoch sei, weil es in den Seringals nur zur Erntezeit, das heißt wenige Monate hindurch, Arbeit gäbe und eine dauernde Stellung, wie sie der junge Mann wünschen mußte, da nicht zu erhoffen sei.
    Der Portugiese hatte ganz recht. Joam Garral sah das ein und trat entschlossen in die Fazenda mit dem Vorsatze, ihr alle seine Kräfte zu widmen.
    Magelhaës hatte seine gute That nicht zu bereuen. Seine Geschäfte gestalteten sich besser. Der Holzhandel, der auf dem Amazonenstrome bis Para betrieben wurde, gewann durch Joam Garral eine beträchtliche Erweiterung. Die Fazenda selbst vergrößerte sich Schritt für Schritt und dehnte sich am Ufer des Stromes bis zur Mündung des Nanay aus. Die Wohnung wurde zu einem stattlichen Hause umgeschaffen, mit einem Stockwerk übersetzt und mit einer Veranda umgeben; so lag sie halb versteckt unter prächtigen Bäumen, Mimosen, Sykomoren, Bauhinias und Paullinias, deren Stämme unter einem dichten Netze von Granaten, Bromelias mit scharlachrothen
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