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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition)
Autoren: Andrew Fukuda
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Nacht, und der Fluss, der zuvor glatt wie der Panzer einer Schildkröte war, wird jetzt von starken Unterströmungen aufgewühlt. Wellen mit weißen Gischtkronen schwappen wie flüchtige Geister ans Ufer. Niemand spricht das Wort Jäger laut aus, doch die Angst, die es auslöst, zeichnet sich in tiefen Falten auf unseren Gesichtern ab, in unseren Blicken, die nervös über das Land schweifen, in unseren angespannten Rücken, die sich in dieser Nacht nicht zum Schlafen hinlegen werden. Wir haben seit Tagen nichts gegessen, doch unsere Körper haben sich an den Nahrungsmangel gewöhnt und die inneren Reserven angezapft. Aber schon bald – in spätestens zwei Tagen – werden auch die verbraucht sein, und wir werden einer nach dem anderen entkräftet zusammenbrechen.
    Den Blick fest auf das Ufer gerichtet, wetzt Sissy ihre Dolche. Epap läuft, das Notizbuch des Forschers in der Hand,auf und ab und blättert hin und wieder eine Seite um. Als es passiert, kommt es unvermittelt.
    »Sissy …«, flüstert David mit Augen so groß wie Untertassen.
    Sie sind zu dritt und sprinten auf allen vieren gepardengleich in enger Formation etwa eine Meile hinter uns am Ufer entlang; mit jedem Sprung und Schritt wirbeln sie den Boden auf. Dann lässt sich der führende Läufer zurückfallen und reiht sich hinten in die Formation ein, während ein neuer Schrittmacher seinen Platz an der Spitze einnimmt. Sie lösen sich bei der Führung ab, um das Tempo konstant hoch zu halten und den Windschatten des führenden Läufers zu nutzen. So steigern sie die Geschwindigkeit der Gruppe um mindestens zehn Prozent, was bei einer Strecke von Hunderten von Meilen ein spürbarer Vorteil ist.
    Sekunden später laufen sie neben uns, ein Bild des Grauens. Ihre Haut ist im Tageslicht teilweise geschmolzen wie warmes Plastik in einem Ofen und mit Anbruch der Dunkelheit zu festen Falten erstarrt. Wahllos über ihren Körper verteilt ragen Haarbüschel in hässlichen Strähnen hervor. Nein, keine Haare, sondern die Reste ihrer Sonnenschutzumhänge, die mit ihrer weichen, halb aufgelösten Haut verschmolzen sind. Sie haben sich in zottige wilde Tiere mit Schaum vor dem Mund verwandelt, entzündete Haut tropft von ihren Knochen, gehäutete Pfoten stampfen über den Boden. Ihre Augäpfel rollen, wenn sie sehnsüchtige Blicke in unsere Richtung werfen.
    Der dritte Jäger kommt mir vage bekannt vor. Hinter all den geschmolzenen Fleischfalten ist ein Gesicht, das ich beinahe erkenne. Auf dem Rücken tragen er und die anderen schwere Taschen, offenbar prall gefüllt mit Geräten und aufgerollten Seilen. Sie müssen mindestens eine Tonne Ausrüstung dabeihaben. Ihre überwältigende Kraft ist erschreckend und Ehrfurcht gebietend.
    Und dann rennen sie an uns vorbei.
    »Sissy?«, murmelt Jacob.
    Sie werfen nicht einen Blick zurück in unsere Richtung. Ihre blassen sprintenden Körper verschwinden hinter der Kuppe eines niedrigen Hügels. Dann tauchen sie auf der Anhöhe des nächsten Hügels wieder auf, viel kleiner und in ihrer engen Formation sogar noch schneller.
    »Sissy? Was machen sie?« Davids Gesicht ist angsterfüllt. Er starrt in die Ferne, in der sie verschwunden sind. »Warum laufen sie weg?«
    Sissy sieht mich verwirrt und nervös an. »Weißt du es?«
    Ich schüttle den Kopf. Das Ganze ergibt überhaupt keinen Sinn.
    »Das gefällt mir nicht«, flüstert Sissy und zum ersten Mal seit Tagen blitzt echte Furcht in ihren Augen auf. »Sie werden immer geschickter und stärker. Sie werden jeden Tag erfindungsreicher und entschlossener.«
    Sie hat Recht. Dies ist das erste Mal, dass sie eine Beute jagen, die ebenso gerissen und hartnäckig ist wie sie, deshalb sind sie zwangsläufig raffinierter geworden.
    Sissy tippt mit den Fingern auf ihren Schenkel.
    »Wir müssen anlegen, Sissy!«, ruft Epap. »Wenn sie vor uns sind, dürfen wir uns nicht einfach in ihre Arme treiben lassen.«
    Sie starrt auf den Fluss. »Es könnte eine Falle sein. Vielleicht werden wir schon von einer zweiten Gruppe Jäger erwartet, wenn wir anlegen. Wir dürfen uns nicht austricksen lassen.«
    »Ich glaube nicht, dass das ihre Jagdstrategie ist«, sage ich. »So gehen sie nicht vor. Wenn es um die Hepra-Jagd geht, sind sie hemmungslos egoistisch. Sie kommen gar nicht auf den Gedanken, zugunsten einer anderen Gruppe auf etwas zu verzichten. Wenn es eine weitere Gruppe hinter uns gäbe, hätte die Gruppe, die uns gerade überholt hat, nichts davon.« Ich blicke auf den vor uns
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