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Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)

Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)

Titel: Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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ein Osterfeuer riechen. Anna Lísa drückte mit dem Finger auf die schwarze Oberfläche des Kuchens und stöhnte wieder. Sie schaute aus dem Augenwinkel zu dem Brief, der ungeöffnet neben dem Herd lag, adressiert an ihre Eltern. In der linken oberen Ecke des Umschlags war ein Bild von ihrer Schule, und darunter stand der Name: Sundschule. Anna Lísa streckte dem Brief die Zunge raus.
    Normalerweise wäre sie nie auf die Idee gekommen, anderer Leute Post die Zunge rauszustrecken, vor allem nicht der Post ihrer Eltern, aber da sie wusste, was in dem Brief stand, machte sie diesmal eine Ausnahme. Es handelte sich nämlich um den bösen Brief, den Jens, ihr Lehrer, angekündigt hatte. Auch wenn Anna Lísa nicht haargenau wusste, was darin stand, hatte Jens ihr genug erzählt, um zu wissen, dass es nichts Gutes war. Sie war nämlich kurz davor, in Dänisch durchzufallen, und das wollte er ihren Eltern unbedingt mitteilen. Warum schrieb er ihnen eigentlich keinen Brief, wenn sie von der Bibliothekarin dafür gelobt wurde, verlorene Bücher wiedergefunden zu haben? Die Frau hatte noch nicht mal eine Mahngebühr von ihr verlangt, obwohl die Bücher monatelang verschollen waren. Aber nein, das war ihrem Lehrer Jens nicht gut genug. Doch sobald irgendeine Kleinigkeit schiefging, setzte er alle Hebel in Bewegung und schrieb jede Menge Briefe.
    Als ob es was Besonderes wäre, in Dänisch durchzufallen, dachte Anna Lísa. Ich meine, ich bin noch nie in einem Fach durchgefallen und will vielleicht nur mal ausprobieren, wie sich das anfühlt.
    Sie fand das total ungerecht. Und zu allem Überfluss musste auch noch der Kuchen misslingen. Der Kuchen, zu dem sie ihre Eltern einladen wollte, damit sie stolz auf sie wären und sich nicht um den Brief kümmern würden. Sie malte sich aus, wie ihr Vater am Küchentisch saß und genießerisch den Kuchen verzehrte, während er den Brief öffnete. Er würde verächtlich schnauben und ihrer Mutter zurufen: „Was ist denn eigentlich mit diesem Lehrer los? Spinnt der? Eine so wundervolle Tochter, die einen so leckeren Kuchen backt, kann einfach nicht in Dänisch durchfallen. Daran ist bestimmt die Schule schuld.“ Und dann würde er noch sagen: „Hmmm, der schmeckt wirklich köstlich!“
    Aber nun war es sehr viel wahrscheinlicher, dass ihr Vater den Kuchen ausspucken, mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen würde: „Spinnst du, Kind? Erst fällst du in Dänisch durch, und dann backst du auch noch einen Kuchen, der aussieht wie Grillkohle!“ Und das alles nur wegen diesem blöden Backbuch. Anna Lísa schlug das Rezept auf und überflog den Text.
    „Zwei Eier, ja, die sind drin, eine Tasse Zucker, die ist auch drin“, murmelte sie. Ihr Finger glitt über die Zutatenliste. „Was soll das eigentlich? Ich hab doch alles in den Teig gerührt.“ Sie las weiter. „Genau, und dann 40 Minuten bei 150 Grad in den Backofen.“ Anna Lísa klappte das Buch mit einem lauten Knall zu. „Das ist dasselbe wie 20 Minuten bei 300 Grad, ich habe also alles richtig gemacht. Blödes Backbuch!“
    So, wie es aussah, blieb ihr nichts anderes übrig, als das Ungetüm mit Glasur zu bepinseln und zu hoffen, dass ihr Vater den Brandgeschmack nicht durchschmecken würde. Anna Lísa beeilte sich, die Glasur auf den Kuchen aufzutragen. Die hatte sie fertig zubereitet gekauft, mit Geld, das sie aus sämtlichen Jacken- und Manteltaschen im Garderobenschrank im Flur zusammengekratzt hatte. Als sie aus der Schule nach Hause gekommen war, hatte sie nämlich den Brief auf dem Fußboden unter dem Briefschlitz liegen sehen. Anna Lísa hatte sofort einen schrecklichen Knoten im Bauch gehabt, der erst verschwunden war, als sie die geniale Idee mit dem Kuchen gehabt hatte. Sie hatte dann ziemlich weit laufen müssen, um in einen Laden zu kommen, und war sogar gerannt, weil die Zeit so knapp war. Der Kuchen musste unbedingt fertig sein, wenn ihr Vater nach Hause kam, sonst war die ganze Backerei sinnlos.
    Anna Lísa begutachtete den Kuchen mit der Glasur. Doch, so war es schon viel besser. Sie überlegte, ob sie den Kuchen noch mit Smarties verzieren, vielleicht sogar „Papa ist toll“ draufschreiben sollte, ließ es dann aber bleiben, da nur noch so wenige Smarties da waren, dass es gerade mal für „Pap“ gereicht hätte. Das wäre lächerlich. Anna Lísa hörte die Tür aufgehen. Sie schluckte den Kloß im Hals hinunter und bekreuzigte sich, wie sie es in Kinofilmen gesehen hatte, wenn es brenzlig
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