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Die Insel der Verlorenen - Roman

Die Insel der Verlorenen - Roman

Titel: Die Insel der Verlorenen - Roman
Autoren: Luchterhand
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gebot.
    »Immer mit der Ruhe, junger Mann«, ermahnte er ihn.
    »Wenn du es nur negativ siehst, will ich dir auch die gute Seite zeigen.«
    Und dann rückte er mit den guten Nachrichten heraus: Dass er noch am gleichen Tag zum Oberleutnant befördert würde, und dass ihn Porfirio Díaz persönlich zum Gouverneur über die Insel ernennen wolle.
    »Wenn du heiraten willst, Ramoncito, dann ziehst du eben mit deiner Frau nach Clipperton, wir werden dich so lange vom Dienst beurlauben, bis du alles erledigt hast. Ich kenne Alicia gut genug, um zu wissen, dass ihr der Einsatz gefallen wird. Ich stelle dir alles zur Verfügung, was du brauchst, es soll euch an nichts fehlen. Und außerdem«, sagte Avalos zum Schluss, »reisen wir beide in einer Woche nach Japan, in einer Sondermission, die mit deiner Ernennung zum Gouverneur von Clipperton zu tun hat. Die Einzelheiten erkläre ich dir später, eine Staatsangelegenheit, ziemlich heikel … «
    Clipperton, Japan, Oberleutnant, Gouverneur … das war alles noch nicht richtig bei Ramón angekommen, als er Avalos auf sich zusteuern sah.
    »Du hast schon eingeschlagen, mein Sohn, herzlichen Glückwunsch«, hörte er ihn sagen und fühlte, wie ihn sein Pate in die Arme schloss, als wäre er ein Bär und würde ihm mit seinen Pranken auf den Rücken klopfen.
    Auf diese Weise erfuhr Ramón, dass der Präsident ihn für den nächsten Tag einbestellen würde, um ihm eine heikle Mission anzuvertrauen, weil er ihn für den richtigen Mann hielt, seine Verdienste anerkannte, ihm seine Sünden vergab, ihn zum Gouverneur der Insel Clipperton ernennen wollte und sein Gehalt erhöhen würde. Arnaud war noch ganz baff vor Erstaunen. Was sich zuerst angehört hatte wie eine Strafversetzung und ihn getroffen hatte wie eine Ohrfeige, schien seine Chance schlechthin zu sein, eine einmalige, goldene Chance, sein Leben zu verwandeln.
    Nach seiner Unterredung mit Don Porfirio, und nachdem er sich mit zahlreichen Verbeugungen von diesem verabschiedet hatte, verließ Ramón Arnaud den luxuriösen, lichtdurchfluteten Billardsaal im Schloss von Chapultepec und war sich sicher, dass er nun endlich ein glücklicher Mann werden würde.
    Das Blut in seinen Schläfen pochte so laut, dass er die eigenen Schritte nicht hörte – die zu kurz waren, um martialisch zu sein – und den Eindruck hatte, als berührten seine schwarzen, am Morgen pedantisch polierten Schuhe kaum das Parkett aus Edelhölzern. Für Augenblicke fürchtete er sogar, dass ihn die Blicke des Präsidenten im Rücken straucheln ließen, und erschrak bei dem Gedanken, er könnte über die eigenen Beine stolpern und fallen, aber als er endlich die Schwelle nahm und gewahrte, wie sich die Tür hinter ihm schloss, atmete er auf und gewann seine Selbstsicherheit zurück. Er legte den Kopf in den Nacken, sah die Cherubinen der Deckenbemalung und wusste, dass das Lächeln ihrer rosa Mündchen ihm galt.
    Nachdem er die Sommerresidenz des Präsidenten im Schloss von Chapultepec verlassen hatte, nahm Arnaud den prachtvollen Paseo de la Reforma, ohne Ziel, ohne zu fassen, was gerade passiert war, und ohne Blick für etwas anderes als die beiden metallisch glänzenden Ähren an seinen Epauletten, die ihn fortan als Oberleutnant auswiesen. Er dachte, dass jeder Passant, der ihm begegnete, sie ebenso bewunderte wie er selbst, und merkte gar nicht, wie ihn die brütende Mittagshitze unter dem dunklen Tuch seiner Galauniform zum Kochen brachte.
    Er versuchte, sich den Dialog mit Porfirio Díaz noch einmal wortwörtlich ins Gedächtnis zu rufen, und wiederholte im Geiste jeden Satz bis zu zehn, zwölf Mal. Im Grunde hatte ihm der Präsident nichts Besonderes gesagt; Arnaud bemühte sich, alles genau zu rekonstruieren. Er hatte ihn auch nicht in seinem Dienstzimmer empfangen, wie von Ramón erwartet, sondern war mit ihm von oben nach unten durch das Schloss gegangen, hatte ihn sozusagen als Begleiter auf seinen Palastrundgang mitgenommen, um die Fortschritte der von ihm betriebenen künstlerischen Erneuerung zu begutachten.
    EigentlichhatteernurüberMöbelgeredet:wundervollebronzeneKandelaber,diehabeichausParisbringenlassen;oder:DiesisteinToilettentischPompadourausmassivemMahagoni,schauenSiemal,streichenSiemalmitderHanddarüber;oder:SehenSiedieAbbildungenderTapisserien?SiestellenSpieleimantikenGriechenlanddar.DreitausendfünfhundertPesos.Oder:GefälltIhnenderBillardsaal?DeristimQueen-Anne-Stylegehalten,derTischisteinCallendar,dieVorhänge
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