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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder
Autoren: Jennifer McMahon
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unternehmen, hatte Trudy sich auf sie gestürzt und versucht, Rhonda mit ihren frischmanikürten Fingernägeln die Augen auszukratzen. Und mit Trudys Nägeln war nicht zu spaßen. Sie waren fünf Zentimeter lang, spitz gefeilt und frisch lackiert – die orangerote Farbe erinnerte Rhonda an schmelzendes Fruchteis. Der größere Ermittlungsbeamte, der die Untersuchung zu leiten schien, hatte Trudy am Arm genommen und durch den Laden zu dem Stuhl geführt, den Jim für sie dann aufstellte. Rhonda war stehen geblieben, wo sie war,den Rücken gegen den Kühlschrank mit dem Bier gelehnt und den Kopf gesenkt.
    «Du hast überhaupt nichts gemacht!», schrie Trudy. «Du hast auf deinem verdammten fetten Arsch gesessen und einfach zugeschaut, wie mein kleines Mädchen verschleppt wurde!»
    Rhonda hielt ihren Arsch nicht gerade für fett, aber im Vergleich zur schlanken Trudy war sie schon ein bisschen stabil – sie war eins fünfundsechzig, hatte einen kräftigen Oberkörper und trug Kleidergröße 42/​44.   Außerdem war Rhondas Gesicht rund, und sie versuchte seit Ewigkeiten vergeblich, einen Haarschnitt zu finden, mit dem es schmaler wirkte. Nachdem der größere Ermittlungsbeamte Trudy auf den Stuhl bugsiert hatte, setzte er seine Befragung fort.
    «Kennen Sie irgendjemanden, der ihre Tochter vielleicht entführt haben könnte? Ein Familienmitglied? Oder vielleicht ein früherer Lebenspartner?»
    «Ich bin Witwe, verdammt nochmal! Ich hab nichts mit Männern. Ich hab Ernie und meine Schwester, und das ist es auch schon.» Sie weinte los, und die Mascara lief in schwarzen Strömen über ihr blasses Gesicht und grub Rinnen in die Grundierung.
    «Es tut mir leid, Ma’am. Wirklich. Ich weiß, dass das hart für Sie ist. Aber hat Ernie Ihnen vielleicht von irgendjemandem erzählt? Vielleicht vom Vater oder von der Mutter einer Freundin? Oder von einem Fremden, der sie beim Spielen beobachtet hat?»
    «Es war der Hase!», heulte Trudy. «Der verdammte Peter Hase!
O Gott!
» Schluchzend kramte sie in der Tasche ihrer Jeansjacke nach der neuen Packung Zigaretten und ihremFeuerzeug. Lotterielose flatterten zu Boden. Der große Ermittlungsbeamte bückte sich, hob sie auf, hielt sie fest, während Trudy sich ihre Zigarette ansteckte, und betrachtete sie aufmerksam, als wären sie ein Beweismittel.
    «Sie erzählt mir jetzt schon seit über einem Monat, dass Peter Hase sie besucht. Und sie in seinem Unterseeboot zur Haseninsel mitnimmt. Sie hat sogar Bilder davon gemalt. O mein Gott! Ich dachte, das wäre alles nur Phantasie!»
    Jim kam herbei, legte Trudy beruhigend die Hand auf den Arm und drückte ihn mit seinen ölverschmierten Fingern. «Ich hab im
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angerufen. Pat ist schon unterwegs. Mach dir keine Sorgen, Trudy. Ernie taucht schon wieder auf. Genau wie dieses Mädchen da unten in Virginia. Das hat man doch auch gesund und munter wiedergefunden, oder?»
    Rhonda dachte an die achtjährige Ella Starkee, das kleine Mädchen, das letzten Monat aus einem Dorf in Virginia entführt und zehn Tage später in einer tiefen Erdgrube aufgefunden worden war. Das Kind hatte Regenwasser in einer rostigen Konservendose aufgefangen und Regenwürmer gegessen und so überlebt. Rhonda schauderte. Trudy starrte sie an, in den Augen spiegelte sich rasende Wut wider.
    «Diese fette Trine weiß mehr, als sie sagt», schrie Trudy. «Ich mein, warum zum Teufel ist sie denn sonst einfach hocken geblieben? Wahrscheinlich hat sie den Kerl gekannt. Das war Teamwork. Sie hat ihm Rückendeckung gegeben. Machen Entführer das nicht oft so?»
    «Wir werden ihr gründlich auf den Zahn fühlen, Ma’am», beruhigte sie der Cop.
    Der kleinere Ermittlungsbeamte, der mit den Pickeln,führte Rhonda nach draußen auf den ölverschmutzten Bürgersteig und unterhielt sich dort mit ihr.
    Rhonda sah, dass Trudy durch das mit Bier- und Zigarettenwerbung halb zugeklebte Ladenfenster zu ihr hinausstarrte. DAS SONDERANGEBOT AM MITTWOCH: SIE SPAREN 5   CENT PRO GALLONE BENZIN ODER DIESEL. DEN GANZEN TAG!!! Ein anderes Schild versprach: AUTOMECHANIKER IM HAUS. Aber wo
war
Peter eigentlich?
    Trudy starrte Rhonda noch immer durchs Fenster hindurch an, als erwarte sie, plötzlich ein flauschiges weißes Stummelschwänzchen unter ihrem Blazer hervorlugen zu sehen.
     
    Als Detective Sergeant Joe Crowley in
Pat’s Mini Mart
eintraf, forderte er eine Suchmannschaft an. Weitere Polizisten trafen ein und außerdem der weiße Transporter der Kriminaltechniker. Es wurden
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