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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten
Autoren: Arkady Fiedler
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grollte, beteiligte ich mich maßgeblich an dieser Arbeit. Ich verstand seine begründete Abneigung gegen die Weißen.
    Als die Sonne höher stieg, erhob sich der Wind. Gegen Mittag lief der Schoner vor der Bucht ein und ging vor Anker. Mit Ausnahme dreier Wachhabender befänden sich sämtliche Leute im Lager. Manauri ordnete unverzüglich die Gerichtsverhandlung über den Gefangenen an.
    In der Nähe des Lagers stand einsam ein Baum, unter dem sich unser Haufe niederließ. Neben mir saßen zu beiden Seiten die Jungen, Arnak und Wagura. Den gefesselten Spanier legten sie unter einen nahen Strauch. Der junge Prahlhans merkte, was ihm bevorstand; er hatte seine Überheblichkeit eingebüßt und überschüttete uns nicht mehr mit Verwünschungen. Er schwieg niedergedrückt.
    Manauri führte in kurzen Worten einige Verbrechen n, die der Gefangene an den Sklaven auf der Insel Margarita begangen hatte, und forderte die Anwesenden auf, sich über sein Schicksal auszusprechen. Alle ohne Ausnahme, Gesunde und Verwundete, Männer und Frauen — es waren ihrer zwei: die Negerin Dolores und Mateos Witwe, die Indianerin Lasana , sprachen sich einmütig für den Tod des Spaniers aus.
    Dann wandte sich Manauri zu mir und bat mich als letzten, daß auch ich das Wort ergreife.
    „Wozu brauchst du meine Meinung?" rief ich. „Da alle seinen Tod fordern, muß geschehen, was die Mehrheit verlangt. Meine Meinung ist hier überflüssig."
    „Du irrst, Jan! Deine Meinung ist für uns sehr wichtig.”
    „Ich verstehe nicht, weshalb."
    „Weil wir vor allem dir, Jan, den Sieg über die Spanier verdanken. Weil wir deine Tapferkeit und deine Besonnenheit schätzen. Weil du unser Freund und Kamerad bist. Und schließlich auch deswegen, weil du der gleichen Rasse angehörst wie er und daher am besten über ihn urteilen kannst." „Was verlangst du also von mir?"
    „Du sollst sagen, ob der junge Spanier den Tod verdient hat oder nicht."
    „Er hat ihn verdient", erklärte ich ohne Zögern.
    Als Arnak den Anwesenden meine Antwort verdolmetschte, waren alle hocherfreut und wußten nicht, wie sie ihrer Freude Ausdruck geben sollten. Ich bedeutete ihnen, sich zu beruhigen, da ich noch etwas zu sagen hätte.
    „Bitte, sprich!"
    „Der junge Spanier hat den Tod verdient und wird ihm auf keinen Fall entgehen. Er soll aber nicht jetzt sterben, nicht hier."
    „Sondern wann und wo?"
    „Erst später, nach der glücklichen Ankunft in eurer Heimat."
    Diese Worte entfesselten einen wahren Sturm des Widerspruches. Nein, sie verlangten seinen sofortigen Tod. So viel Haß hatte sich in ihren Herzen angesammelt, so viel Bitterkeit und Galle fand sich darin, daß sie sich wutschäumend der Stimme der Vernunft widersetzten und von einer Geisel nichts wissen wollten. Ich begriff, daß es aussichtlos war, den Sturm zu glätten. Der sofortige Tod des Gefangenen war beschlossene Sache.
    Kaum hatten sich die Gemüter beruhigt, als ein neuer Streit um die Frage entstand, welchen Tod der Verurteilte sterben sollte. Viele verlangten, daß verschiedene ausgesuchte Torturen angewendet würden; doch einigte sich die Mehrheit dahin, den Spanier lebend in einen Ameisenhaufen einzugraben, damit ihn die Ameisen langsam ,auffräßen.
    Manauri warf mir unruhige Blicke zu, da er merkte, daß ich vor Empörung erblaßte.
    „Hört zu!” schrie der Häuptling. „Wir müssen eine andere Todesart für ihn finden. So geht es nicht."
    „Wieso nicht?" grölten sie. „Es geht. Der Ameisenhaufen, nur der Ameisenhaufen!"
    „Nein!" widersprach Manauri. „Der Tod im Ameisenhaufen währt viele Stunden, wir aber haben keine Zeit, zu warten. Wir müssen eher losfahren."
    Der Gedanke vom Ameisenhaufen wurde fallengelassen, da der Einwand des Häuptlings allen einleuchtete. So begannen denn neue Überlegungen darüber, welchen Qualen der junge Verbrecher auszusetzen sei, bis ich schließlich des dummen, abscheulichen Geschwätzes überdrüssig wurde. Ich sprang auf und donnerte in die Menge hinein:
    „Nein, es wird keine Folterungen geben! Keine Martern. Wenn ein anständiger Mensch tötet, so tötet er, ohne zu quälen. Und so wird der Spanier enden!"
    Ein Sturm brach los, die Augen der Leute sprühten Feuer. Ich blieb jedoch hartnäckig und dachte nicht daran, auch nur um Haaresbreite zurückzuweichen. Als die Großmäuler sich ein wenig beruhigt hatten, schmetterte ich ihnen entgegen: •
    „Ich fordere von euch ehrenhaftes Handeln; nur entartete Bestien können Wehrlose quälen. Wenn
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