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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven
Autoren: Sarah Lark
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wurde schwarz vor Augen, als sie auf die Beine kam. Am liebsten hätte sie sich für ein paar Stunden in den Verschlag hinter dem Laden des Backras, in dem sie gewöhnlich schlief, zurückgezogen. Vielleicht würden die Schmerzen aufhören, wenn sie sich hinlegte. Aber andererseits war auch der Schuppen nicht gerade ein gemütliches Refugium. Es stank bestialisch nach den Abfällen der Schlachttiere, die der Backra einfach am Wasser liegen zu lassen pflegte, und gerade an diesem Morgen hatte er wieder ein paar Felle und Eingeweide vors Haus geworfen. Dayton störte der Gestank, der entstand, wenn die Felle austrockneten und die Schlachtreste verwesten, nicht. Ebenso wenig das Blöken der Schafe, Ziegen und Rinder, die er vor der Schlachtung in völlig verdreckten Pferchen hielt, und die Milliarden Fliegen. Zu Beschwerden anderer Anwohner kam es auch nicht, denn seine Schlachterei lag am äußersten Ende der Siedlung, gleich dahinter begann der unberührte Sandstrand von Grand Cayman. Lediglich Bonnie litt. Wenn sie die Kraft dazu aufbrachte, warf sie Sand über die Kadaverreste, bevor sie schlafen ging.
    An diesem Tag hätte sie jedoch gar nichts gestört, wenn sie nur etwas Ruhe gefunden hätte. Der Backra war am Abend zuvor betrunken nach Hause gekommen. Das passierte oft, aber dieses Mal hatte er auf dem Rückweg von den primitiven Spelunken am Hafen wohl wieder einmal bei Máanu hineinschauen undrandalieren wollen. Solche nächtlichen Überfälle waren das, was Skip Dayton unter »Brautwerbung« verstand. Máanu, die Besitzerin der Gemischtwarenhandlung der Siedlung, fühlte sich nur davon belästigt. Sie hatte ihn denn auch gebührend empfangen, indem sie einen Nachttopf über ihm ausgeleert hatte – und außerdem war Jefe da gewesen, ihr Sohn. Bonnies Herz schlug immer etwas höher, wenn sie an Jefe dachte. Er war so groß und stark, so selbstsicher … und er beschützte seine Mutter. Bonnie wünschte sich auch einen Beschützer, in der vergangenen Nacht hätte sie ihn mehr als nötig gebraucht.
    Backra Skip war nach Máanus Abfuhr »heiß« gewesen, wie er das nannte, und wie immer war nur Bonnie da gewesen, um seine Gelüste zu befriedigen. Und Bonnie hatte auch die Strafe erdulden müssen, die Máanu nach des Backras Meinung für ihre Sturheit verdiente. Er hatte sie so hart geschlagen wie selten. Bonnie hatte das Gefühl, jeder Knochen und jeder Muskel ihres Körpers schmerze, doch sie konnte sich natürlich nicht um ihre Arbeit drücken, ohne weitere Prügel zu riskieren. Also war sie früh aufgestanden wie immer, hatte die Tiere gefüttert, das Haus geputzt – und jetzt musste sie noch etwas einkaufen.
    Bonnies Laune besserte sich ein bisschen, als sie dazu aufbrach. Sie ging gern in Máanus Laden, unterhielt sich mit ihr und hoffte darauf, dass Jefe auch vorbeikäme. Der junge Mann verrichtete Botendienste in der Hafensiedlung und ließ sich für Gelegenheitsarbeiten anheuern. Viel Geld brachte das nicht, und es war auch keine Vollzeitbeschäftigung, doch bezahlte Arbeit für freie Schwarze gab es kaum auf den Kaimaninseln. Es wimmelte schließlich von Sklaven, die kostenlos niedrige Arbeiten verrichteten. Den Weißen gehörten die Plantagen – und auch die meisten schäbigen Geschäfte hier in der Siedlung rund um den kleinen Hafen. Dabei rührten sie auch da kaum einen Finger – lediglich Backra Skip schlachtete selbst, statt einen Schwarzen dafür anzulernen. Wahrscheinlich scheute er davorzurück, einem Sklaven die sehr scharfen Messer zum Häuten und Ausweiden der Tiere in die Hand zu geben. Bestimmt nicht zu Unrecht! Wenn er einen Mann so behandeln würde wie Bonnie … Mitunter stellte sie sich genüsslich vor, wie der sich mit dem Schlachtermesser wehrte … Bonnie hatte oft gewaltträchtige Fantasien. Sie würde gern im Blut waten, wenn es denn das Blut des Backras wäre …
    Nun rief sie sich allerdings energisch zur Ordnung. Mit solchen Tagträumen war niemandem gedient. Sie dachte lieber darüber nach, was sie brauchte. Nicht auszudenken, dass sie irgendeine der Besorgungen vergaß, die der Backra ihr morgens aufgetragen hatte.
    Schließlich verließ Bonnie das kleine verwahrloste Holzhaus neben der Metzgerei, in der Skip Dayton gerade ein Stück Schweinelende für die Frau des Hafenmeisters abwog. Mrs. Benton ging persönlich einkaufen – wahrscheinlich weil sie einsam war und sich langweilte. Es gab nur wenige ehrbare Frauen in der Siedlung. Die weiblichen Wesen im
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