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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
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die Gefahr und seine Schulter schmerzte. Er baute sich auf, brüllte drohend. Marguerite ging mit angelegter Büchse weiter auf ihn zu. Als sie noch etwa fünfundzwanzig Schritt von ihm entfernt war, Schoß sie. Auf die Mitte des Körpers gezielt, wie Henri es ihr beigebracht hatte, traf die Kugel den Bären in die Brust, blieb jedoch in einer Rippe stecken.
    Der Bär sah die Stichflamme der Mündung, hörte den lauten Knall des Schusses und dann fühlte er seine Rippe brechen und jaulte auf. Er ließ sich auf alle viere fallen, um anzugreifen, aber der stechende Schmerz ließ ihn zusammenfahren.
    Marguerite warf die Arkebuse ins Gras, nahm die dritte hoch, legte an, zielte und drückte ab.
    Sie traf ihn, als er sich zur Flucht wandte, doch die Kugel riß lediglich eine lange, aber nicht sehr tiefe Wunde unterhalb seines Nackens.
    Der Bär floh humpelnd. Er suchte die Deckung des Waldes. Marguerite hob die Arkebuse auf, rannte zurück zum Haus. Er durfte nicht entkommen! Sie schob die immer noch zitternde Damienne zur Seite und lud die Waffen nach. Sie war geübt darin, dennoch brauchte sie länger als eine Minute, um alle drei wieder schußbereit zu haben.
    »Paß auf Henriette auf«, rief sie Damienne zu, dann stürzte sie aus der Tür.
    Der Bär war verschwunden. Es dämmerte bereits, aber es war einfach, der Spur des Bären zu folgen. Er hatte sich plump einen Weg durch das Dickicht zum Bach gebahnt. Marguerite konnte leicht erkennen, daß er hinein- und geradewegs auf der anderen Seite wieder herausgeklettert war. Sie sprang ins Wasser, das ihr an dieser Stelle fast bis zur Brust reichte. Kurz verschlug es ihr den Atem, so kalt war es, aber sie stapfte hindurch, die Büchsen über den Kopf erhoben. Sie war drauf und dran, die Böschung auf der anderen Seite hochzukriechen, aber dann hielt sie etwas davon ab. Vorsichtig legte sie zwei der Arkebusen am Ufer ab, nahm die dritte in die Rechte und suchte mit der Linken Halt. Sie fand einen langen Zweig und zog sich daran die Böschung empor. Ihr Knie hatte gerade trockenes Ufer erreicht, als plötzlich, direkt über ihr, die massige Gestalt des Bären erschien. Er brüllte und sein weit offener Rachen war weniger als eine Armlänge von ihrem Gesicht entfernt. Sie schrie auf und rutschte ab - nur für einen kurzen Augenblick hielt sie noch die Balance -, aber es reichte: Sie steckte dem Bären die Mündung der Arkebuse ins Maul und drückte ab. Der Rückstoß schleuderte sie ins Wasser, aber in jenem kurzen Augenblick nach dem Schuß und bevor sie untertauchte, vermeinte sie zu hören, wie die Kugel in den Rachen des Bären fuhr und seine Hirnschale zertrümmerte.
    Sie tauchte wieder auf und rang nach Luft.
    Der Bär sah sie aus toten Augen an.
    Sie hatte ihn erlegt.
    An diesem Abend gab es ein großes Festmahl, selbst Damienne aß sich das erste Mal seit Wochen wieder richtig satt.
    Später dankten sie beide Gott für Damiennes Rettung und für den Sieg über die Bestie. Was ihre Freude allerdings trübte, war die Tatsache, daß die Arkebuse, aus der Marguerite den tödlichen Schuß abgefeuert hatte, im Bach untergegangen und verloren war. Sie hatten noch lange im kalten Wasser gesucht, aber die Strömung hatte die Büchse fortgetragen. Jetzt hatten sie nur noch zwei.
    Schon Anfang November fiel der erste Schnee und es wurde bitterkalt. Der Schnee erschreckte Henriette und sie fürchtete sich. Sie war nun ein halbes Jahr alt und kroch manchmal alleine durch die Hütte - aber mit dem kalten Weiß dort draußen wollte das Kind nichts zu tun haben.
    Für Damienne waren Schnee und Frost dagegen so etwas wie ein Triumph: »Ich habe doch gesagt, daß wir noch dankbar sein werden, wenn wir rechtzeitig genügend Vorräte ansammeln! Was wäre nur, wenn wir nicht vorgesorgt hätten?«
    »Da hängt immer noch ein halber Bär in der Räucherkammer - ich denke, der sollte für ein oder zwei Tage reichen«, lachte Marguerite.
    »Ja, aber wenn ich den Bären nicht angelockt hätte ...«
    »Ach, ich verstehe, das war also Absicht, daß du dich beinahe hättest fressen lassen?«
    »Selbstverständlich, was dachtest du denn«, grinste Damienne.
    Sie machte inzwischen gerne Witze über diesen Tag und erklärte mehrfach, sie habe nun vor nichts mehr Angst.
    »Wenn mich ein Bär nicht umbringt - was soll mir da noch passieren?«, erklärte sie. Offenbar glaubte sie fest daran, nun unter dem besonderen Schutz der göttlichen Vorsehung zu stehen. »Vielleicht«, so sagte sie, »gehe ich
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