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Die innere Freiheit des Alterns

Die innere Freiheit des Alterns

Titel: Die innere Freiheit des Alterns
Autoren: Ingrid Riedel
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damals in einer Frankfurter Vorstadt mit ihr zusammen Stadtteilarbeit machte, auch ein warmherziges Ehepaar aus Südamerika taucht dabei auf, das zu einer ganzen Lebensspanne gehörte, die sie in engagierter Entwicklungsarbeit in jenem Land verbrachte. Zuletzt aber erscheint in dem Traum von ihrem Geburtstagsfest eine ihr noch unbekannte junge Frau in einem lichten blauen Kleid; es ist eine Frau mit beseelten Augen und feinen Bewegungen. Als die Unbekannte und die Träumerin einander erblicken, gehen sie spontan aufeinander zu, um mit einem Glas Rotwein anzustoßen. Spontan fühlen sie sich voneinander angezogen.
    In diesem Traum wird sowohl das Beziehungsnetz eines ganzen Lebens zusammengebracht, das bei dieser Frau überwiegend aus engagierten und politisch interessierten Menschen, Männern vor allem, besteht. Das, was in ihrem Leben noch fehlt, ist die Begegnung mit einer zarten, beseelten jungen Frau, einer Seite oder auch innerem Anteil vielleicht von ihr selbst, der ihr bis jetzt eher unbekannt war, der sich aber vielleicht auch in einer neuen Freundschaft entfalten könnte, in der Begegnung mit einer so zarten Frau wie der im Traum.
    Andere Menschen lösen sich, seltener allerdings, in diesen Jahren auch von uns ab, obgleich sie uns lange begleitet haben, vielleicht, weil eine Unvereinbarkeit der Einstellungen, der Überzeugungen oder der Lebensstile deutlicher, schärfer sichtbarwird als früher, eine Unvereinbarkeit, die lange übersehen oder überbrückt werden konnte. Jetzt im Alter wird es wichtig, authentisch zu leben, die Zeit nicht mit Menschen zu verbringen, die nicht mehr ganz zu uns passen. Außerdem sind manche von uns auch kantiger geworden im Alter, schroffer, kompromissloser.
    Solch eine Trennung im Alter ist sehr schmerzlich, muss aber akzeptiert werden, da zum Alter neben dem Wunsch zu verbinden, was auseinanderfiel, auch der Wunsch nach Authentizität gehört und stärker wird, der Wunsch nach einem neuen Eigensein, einem neuen Eigensinn. Es ist der Wunsch, sich von nicht mehr Stimmigem zu unterscheiden, allenfalls auch zu scheiden. So kommt es im Alter auch zu Scheidungen, nicht allzu häufig, aber durchaus ab und zu; dann sind es Trennungen, die vielleicht, wenn man genauer hinsieht, schon lange anstanden.
    Etwas Besonderes, was im Alter sehr wichtig sein kann, sind nicht nur die Freundschaften zu einzelnen Menschen, sondern die Freundeskreise, die im Laufe eines Lebens zusammenwuchsen, wenn es uns gegeben war, sie zu finden, sie mitzugestalten. So gibt es Kreise, die ursprünglich aus befreundeten Ehepaaren bestanden – oft durch berufliche Kontakte verbunden, durch gemeinsame Interessen auch –, an die sich dann weitere Freunde anschlossen. Manche verwitwete Menschen bezeugen, dass sie vor allem von solchen lange bestehenden Freundeskreisen, die auch den Partner kannten, aufgefangen wurden und wieder Anschluss ans Leben fanden. Bei solchen Freunden kann man vom Partner, von der Partnerin erzählen, ohne weiter nach ihm ausgefragt zu werden: Die Freunde wissen, von wem man spricht; wen man entbehrt. Er oder sie fehlt auch ihnen!
    Durch die regelmäßigen Treffen, Einladungen, Geburtstagsfeiern, Wanderungen, Vortragsveranstaltungen, durch die Teilnahme an kulturellen Ereignissen, sind alle Beteiligten in den Kreis aufgenommen und begleiten einander auch durch schwierige Zeiten. Spezielle Frauengruppen erfüllen ein ähnlichesBedürfnis, verbunden aber noch durch ein tieferes gesellschaftliches Engagement für die feministische Sache. Auch Gruppen, die sich für die Umwelt – zum Beispiel im Sinne der Agenda 21 – interessieren, können ein Feld intensiven Kontakts sein. Andere musizieren miteinander, wandern miteinander oder treiben zusammen Sport.
    Es gibt auch Freundschaftsgruppen, die sich durch gemeinsame Interessen in bestimmten Lebensphasen und an bestimmten Orten zusammenfanden. So kenne ich selbst eine Gruppe von lange miteinander befreundeten Frauen, heute alle im höheren Alter, die sich jährlich in einer bestimmten Stadt treffen, in der sie früher einmal alle gemeinsam lebten und wirkten. Sie treffen sich, um sich zum Einstieg vor allem Träume zu erzählen, solche Träume, die jeweils charakteristisch sind für ihren derzeitigen Standort und Standpunkt im Leben, um sich im Licht dieser Träume über alles auszutauschen, was im vergangenen Jahr und jetzt besonders zählt. Bei der einen ist es die Geburt der ersten Enkelin, bei der anderen sind es die Erfahrungen auf einem
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