Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln
Autoren: Ross Thomas
Vom Netzwerk:
aufzustehen, hob er den Apparat vom Nachttisch, stellte ihn links neben sich, nahm den Hörer und sagte hallo. Eine Frauenstimme sagte: »Mr. Partain? Hier ist Captain Lake, General Hudsons Adjutantin. Der General bedauert sehr, daß es so kurzfristig ist, hofft aber, daß Sie heute abend zum Essen zu ihm nach Arlington kommen können? Wäre das möglich, Sir?«
    »Ich glaube schon«, sagte Partain; er nahm an, daß sie aus Virginia war, vermutlich unten aus der Gegend von Lynchburg.
    »Sehr gut. Sie werden gegen acht Uhr zum Essen erwartet, und der General kann Ihnen einen Wagen schicken. Wenn Sie aber lieber selber fahren, sorge ich dafür, daß eine Karte mit markierter Strecke in Ihr Fach im Hotel gelegt wird.«
    »Ich fahre selbst«, sagte Partain, erleichtert darüber, daß die ansteigende Intonation geendet hatte.
    »Er wird sich freuen zu hören, daß Sie annehmen.«
    »Kann ich jemanden mitbringen?« sagte Partain.
    Ohne das geringste Zögern sagte sie: »General Hudson hatte gehofft, daß Sie das tun würden.«
    Connie Weeks, Statistikerin im Innenministerium und nach sechs Uhr Callgirl, trug lediglich eine Cartier-Uhr, als sie sich zu General Hudson wandte und sagte: »Du hattest recht. Er bringt jemanden mit.«
    Der General nickte und lehnte sich im blaßbraunen Clubsessel aus Wildleder zurück, um sich eine Zigarre anzuzünden. Er trug nichts als eine graue Kammgarnhose.
    »Wahrscheinlich bringt er Patrokis mit«, sagte Colonel Millwed, der ausgestreckt auf der langen sahnebeigen Couch lag. Der Colonel trug nichts außer einem aufgeknöpften weißen Hemd.
    »Ich hielt es nicht für gut, so genau zu fragen«, sagte Connie Weeks und blickte auf ihre Uhr. »Wenn einer von euch noch einen Quickie möchte, dazu hab ich gerade noch Zeit. Aber keinen Dreier.«
    Der General schwenkte als höfliche Verneinung seine Zigarre und sagte: »Ich passe, aber vielleicht ist Colonel Long Dong da drüben interessiert.«
    Millwed, der nun an die Decke starrte, schüttelte den Kopf und sagte: »Colonel Dong fühlt sich ausgelutscht.«
    »Hier, Connie«, sagte der General; er langte in eine Gesäßtasche und zog einen kleinen weißen Umschlag heraus. »Da ist ein bißchen was extra drin.«
    Sie lächelte, nahm den Umschlag entgegen und sagte: »Danke sehr, Gentlemen«, wandte sich um und ging zum einzigen Schlafzimmer ihres Apartments, nur um stehenzubleiben und sich umzudrehen, als der General sagte: »Hast du das mit Emory gehört?«
    »Nein«, sagte sie. »Was?«
    »Jemand hat ihn heute morgen erschossen«, sagte er; dann wartete er auf ihre Reaktion, die sich als Überraschung, wenn nicht gar Schock herausstellte und Bekümmerung, wenn nicht gar Trauer. »Emory Kite? «
    »Ich hoffe bei Gott, daß er der einzige Emory ist, den ich kenne«, sagte Colonel Millwed; er stellte die Füße auf den Boden und setzte sich auf.
    »Wann bist du heute morgen bei ihm weggegangen?« sagte der General.
    »Acht. Ungefähr.«
    »Irgendwas Ungewöhnliches bemerkt?«
    »Klar. Als ich vorn rausgegangen bin, wollte ein alter Typ grade rein. Mitte Sechzig, schätze ich, um die eins achtzig, graues Haar – soweit ich sehen konnte –, blaue Augen, kein Bart, keine Brille, kein Fett. Er hatte einen schwarzen Handkoffer in der Hand, einen Kamelhaarmantel an, einen scharfen Hut auf und ging so, wie ihr beiden geht, als ob ihr dauernd auf Parade wärt.«
    »Hat er was gesagt?«
    »Er hat ›Spaß‹ gesagt.«
    »Spaß?«
    »Er sah aus wie ein möglicher Kunde, deshalb hab ich ihn gefragt, ob er gern Spaß hat. Und er hat ›Spaß‹ gesagt, genau so wie du gerade – als ob er nicht wüßte, wovon ich eigentlich rede. Deshalb hab ich ihm meine Karte gegeben, die nur mit dem Vornamen und der Nummer, und ihm gesagt, er kann mich jederzeit nach sechs anrufen.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Nichts. Nur ein bißchen gelächelt und meine Karte eingesteckt.«
    General Hudson seufzte, nickte dann Colonel Millwed zu, der hinter Connie Weeks aufstand, ihr Kinn mit einer Hand packte, den Hinterkopf mit der anderen, hart nach rechts riß, hart nach links stieß und ihr das Genick brach.
     
    Zehn Minuten später trug Colonel Millwed Anzug und Krawatte und eine Rolle Haushaltstücher, während er sich in Connie Weeks’ Wohnzimmer nach noch mehr zum Auf- oder Abwischen umsah. Die tote Frau lag noch immer auf dem polierten Hartholzboden neben der Sahnecouch.
    »Sonst noch was?« sagte der Colonel; vorsichtig stieg er über ihren Leichnam.
    GeneralHudson,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher