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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition)
Autoren: Ursula Neeb
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angemalte Rosi fehlt! Weiß jemand, wo sie ist?«
    Die Huren zuckten nur mit den Schultern, keine hatte Rosi an diesem Morgen gesehen.
    Die Hurenkönigin wandte sich an den Frauenhausknecht Josef, der genau wie die Köchin, die Scheuermagd und die Wäscherin mit am Tisch saß. »Geh sie mal holen! Sie liegt bestimmt noch im Bett.«
    Der Mann mit dem muskulösen Oberkörper und den kurzgeschorenen schwarzen Haaren warf der Hurenkönigin einen mürrischen Blick zu. »Muss das denn sein, Meistersen? Ihr wisst doch, dass wir wieder Zorres hatten …«
    »Wer weiß das nicht, Josef! Euer Gezanke hat man doch im ganzen Haus gehört. Aber du gehst jetzt nach ihr gucken und damit fertig!«, erwiderte die Zimmerin resolut. Der baumlange Frauenhausknecht erhob sich unwillig und schlurfte aus der Stube.
    »Es geht mich zwar nichts an, mit wem du es treibst, Vogelsberger Änne«, sprach die Hurenkönigin unversehens eine junge Hure mit hellblonden Haaren an. »Du bist noch neu bei uns, aber du solltest wissen, dass Josef ein Kind mit der Rosi hat. Es wäre vielleicht gescheiter, in Zukunft die Finger von ihm zu lassen.«
    Die Angesprochene errötete. »Das konnte ich ja nicht riechen«, murmelte sie verlegen.
    »Deswegen sage ich es dir ja jetzt.« Die Zimmerin musterte die junge Hübscherin ungnädig. »Weiber, die nur Unfrieden stiften, können wir nicht gebrauchen.«
    »Der ist doch mir nachgestiegen und nicht umgekehrt und …«, verteidigte sich die Hure.
    Doch die Zimmerin unterbrach sie barsch: »Schluss jetzt!« Sie schlug mit der Hand auf den Tisch. »Zum Bocken gehören immer noch zwei!«
    Im nächsten Moment kehrte Josef zurück. »Die Rosi ist nicht da! Ihr Zimmer ist leer«, erklärte er.
    Die Stimmung der Hurenkönigin verdüsterte sich. »Wo kann sie denn nur sein?«, murmelte sie besorgt.
    »Vielleicht ist sie ja bei ihrem Kleinen? Wir können ja nach der Kirche mal bei der Luitgard vorbeischauen«, schlug Ingrid vor und mahnte zum Aufbruch.
    Bernhard von Wanebach bot Ursel seinen Arm an, und gemeinsam verließen sie, gefolgt von den Huren und den vier Bediensteten, das Frauenhaus am Dempelbrunnen und bogen in langer Prozession in die Alte Mainzergasse ein.
    An diesem sommerlichen Sonntagmorgen waren viele Leute unterwegs. Zunfthandwerker im Sonntagsstaat machten sich mit ihren Ehefrauen und Kindern und in Begleitung der Lehrlinge und Gesellen auf den Weg zum Gottesdienst. Mitunter waren auch Kaufleute mit ihren Familien zu sehen, von denen es in dem ärmlichen Wohnbezirk am Fluss allerdings nicht so viele gab. In angemessenem Abstand folgten ihnen die sonntäglich herausgeputzten Mägde.
    Wenn die gelbgewandeten Frauen an den Passanten vorübergingen, wurden sie mit verächtlichen Blicken bedacht. Selbst die Kinder glotzten sie hämisch an und tuschelten verstohlen.
    Obgleich Ursel Zimmer die allgemeine Verachtung, die den Huren in der Öffentlichkeit entgegenschlug, gewohnt war, erbitterte sie das selbstgerechte Gebaren der Leute doch auch nach mehr als dreißig Dienstjahren noch maßlos. Als einfaches Mädchen aus dem Vogelsberg war sie damals nach Frankfurt gekommen, um dort eine Anstellung als Magd oder Näherin zu finden. Das hatte sich als schwierig erwiesen, da es weitaus mehr arbeitsuchende Mägde als Stellungen gab. Bald litt sie Hunger, und so blieb ihr in ihrer Not nur noch, sich im Frauenhaus zu verdingen, wollte sie nicht am Bettelstab gehen. So wie ihr, das wusste sie inzwischen, war es den meisten Huren ergangen. Bevor eine Frau sich entschied, das verachtete gelbe Gewand zu tragen, hatte sie zumeist eine entbehrungsreiche Zeit hinter sich. Doch davon hatten all diese wohlgenährten Stadtbürger natürlich keine Ahnung.
    »Zu uns kommt nur, wer schon genug Dreck gefressen hat«, pflegte sie immer zu sagen, wenn ihr ein neues Mädchen sein Leid klagte.
    Und so schritt die Hurenkönigin mit hocherhobenem Haupt an den ehrbaren Hausfrauen und braven Familienvätern vorüber, unter denen sie längst den einen oder anderen Freier ausgemacht hatte. Mit wachsender Besorgnis musste sie an Rosi denken, und auf ihre Stirn war eine tiefe Sorgenfalte getreten.
    »Hoffentlich ist Rosi nichts passiert!«, raunte sie Bernhard zu.
    »Was soll ihr schon passiert sein? Du wirst sehen, ihr Verschwinden wird sich bald aufklären«, suchte Bernhard seine Geliebte zu beruhigen. »Vielleicht war sie ja bei ihrem Buben, und wir treffen sie in der Kirche.«
    Ursel schwieg. Unwillkürlich fiel ihr die Hure Hildegard Dey
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