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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition)
Autoren: Ursula Neeb
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schon damals gesagt?«
    Pfarrer Schildknecht rang verzweifelt die Hände, er war aschfahl geworden. »Weil ich den unglückseligen jungen Mann vor übler Nachrede schützen wollte«, stammelte er schuldbewusst. »Ich habe ihn getauft und kenne ihn von klein auf. Er … er tat mir immer leid, der arme Junge. Obwohl er ihr einziges Kind war und überdies noch so fügsam, hat die Freifrau keine Gelegenheit ausgelassen, den Knaben zu gängeln und zu züchtigen – für einen angeblichen Ungehorsam, den er wahrlich nie an den Tag gelegt hat. Vor nunmehr drei Jahren haben wir sie zu Grabe getragen. Der arme Jakob hat entsetzlich um sie getrauert, so als ginge mit seiner gestrengen Mutter auch sein Seelenheil dahin. Es ist pietätlos, so etwas zu sagen, aber mich gemahnte er damals an einen Hund, der die Hand, die ihn immer schlägt, auch noch leckt. – Außerdem dachte ich, was soll denn so ein frommer, sittsamer Junker wie er mit einer Hübscherin zu schaffen haben? Aber jetzt, wo sie ihre Leiche im Sachsenhäuser Forst gefunden haben, lässt mir das alles keine Ruhe mehr«, flüsterte der Pfarrer.
    »Das ist auch gut so«, entgegnete Bernhard schneidend. »Hegst du denn den Verdacht, dass der Freiherr den Mord begangen hat?«
    »Dafür gibt es keinerlei Anlass«, beeilte sich Schildknecht zu erwidern. »Es … es ist auch eher ein ungutes Gefühl als eine Gewissheit«, presste er hervor und barg sein Gesicht in den Händen. »Aber dring jetzt bitte nicht mehr weiter in mich, ich bereue es schon, dass ich dir überhaupt etwas gesagt habe …«
    Bernhard packte den Freund an den Schultern. »Es ging um ein Menschenleben!«, zischte er. »Wenn du mir damals schon gesagt hättest, dass der Freiherr einen solchen Ring besitzt, wäre die Hübscherin vielleicht noch am Leben. Du hast mit deinem Schweigen schwere Schuld auf dich geladen, Gerold! – Und ich muss jetzt alles daransetzen, um einen weiteren Mord zu verhindern«, brach es aus ihm heraus, während ihm vor Erbitterung die Tränen in die Augen traten.
    »Kann ich … kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?«, fragte der Pfarrer betreten.
    »Wie solltest du?«, entgegnete Bernhard verächtlich. »Es ist doch nur das Leben einer Hure, das in Gefahr ist …« Als er indessen gewahrte, in welcher Gewissensnot Gerold Schildknecht war, besann er sich anders. Er berichtete, dass die Hurenkönigin seit Donnerstag auf eigene Faust in Sachsenhausen ermittle und inzwischen unauffindbar sei. »Ich kann nur hoffen, dass wir sie noch irgendwo ausfindig machen können«, endete er und verfiel ins Grübeln.
    Nach geraumer Zeit hob er den Kopf und erklärte entschlossen: »Diskretion hin oder her, mein lieber Gerold, wir werden leider nicht umhinkommen, dem hohen Herrn einen Besuch abzustatten. Ich möchte mir gerne ein eigenes Bild von ihm machen, und in Anbetracht der Umstände müssen wir nach jedem Strohhalm greifen.«
    »Wenn du willst, kann ich dich zum Riedhof begleiten. Schließlich bin ich der Seelsorger des Freiherrn«, sagte der Pfarrer bereitwillig.
    »Das Angebot nehme ich gerne an«, erwiderte Bernhard und schlug vor, gleich aufzubrechen.

    Wenig später ritten Bernhard, Josef und Pfarrer Schildknecht in scharfem Galopp durch den Sachsenhäuser Forst. Selbst im dichten Tannenwald war es drückend schwül, und Bernhards Gelehrtentalar aus schwerer schwarzer Seide war schon ganz klamm vor Schweiß. Unentwegt ging ihm durch den Sinn, was der Pfarrer über den Freiherrn von Stockheim erzählt hatte, und je näher sie dem Riedhof kamen, desto beklommener wurde ihm zumute.
    Als sie schließlich vor dem Eingangsportal von den Pferden stiegen, hielt er es vor Anspannung kaum noch aus. Gleich mehrfach betätigte er den Türklopfer.
    Die alte Magd musterte die Männer misstrauisch. Erst als sie Pfarrer Schildknecht gewahrte, wurde sie zugänglicher.
    »Gott zum Gruße, Herr Pfarrer«, sagte sie ehrerbietig. »Was führt Euch denn hierher?«
    Der Geistliche erwiderte ihren Gruß und fügte mit ernster Miene hinzu: »Wir würden gerne mit dem Freiherrn sprechen.«
    Die Magd schüttelte bedauernd den Kopf. »Der Freiherr ist nicht zu Hause. Er hat heute Vormittag das Haus verlassen, ich weiß nicht, wann er wiederkommt.«
    »Hat er gesagt, wo er hinwill?«, richtete Bernhard das Wort an sie.
    »Nein, das hat er nicht. Er ist seinen Bediensteten ja auch keine Rechenschaft schuldig«, erklärte die Dienerin abweisend. Sie wich Bernhards forschendem Blick aus und richtete die
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