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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers
Autoren: Tatjana Stöckler
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nicht.
Die Hebamme in Amorbach hatte ihr prophezeit, dass die Schmerzen bis
zur Niederkunft noch zunehmen und danach verschwinden würden. Da
lohnte kein Aufwand und keine Kur, die Magdalene ihr wieder verordnen
würde: eine Packung aus Kuhfladen, am liebsten in einem Stück, auf
den schmerzenden Rücken gelegt, die Nacht auf dem Bauch liegend
verbracht und am nächsten Morgen auf gar keinen Fall die Reste
abwaschen. Luzia musste zugeben, dass die Wärme angenehm war und es
eine kurze Zeit geholfen hatte, aber wenn Lukas sich wieder fünf
Tage von ihr fernhielt, länger als die Linderung dauerte … das
wollte sie nicht noch einmal riskieren.
    Während ihr gemarterter Rücken sich entspannte,
zogen die Bilder des Tages an ihr vorüber, die schönen Häuser der
Oberstadt, die engen Gassen, in denen gut gekleidete Damen
flanierten, hagere Gelehrte an den Straßenecken gestikulierten,
vertieft in Diskussionen über Gott und die Welt. Zum Glück hatte
Magdalene diesmal zugestimmt, als ein Bursche sich als Kutscher
empfahl. Ewalt habe schon aushilfsweise im Stall des Landgrafen
gearbeitet, würde auch jederzeit wieder genommen, wenn die Reittiere
der Gäste zu zahlreich für die regulären Bediensteten wurden.
Außerdem könne er, da zwei Pferde seine Zeit nicht völlig in
Anspruch nähmen, auch im Haus helfen, Stiefel putzen und Holz
hacken. Kräftig genug sah er aus, wenn seine schiefen Zähne und die
klobige Nase ihn auch nicht zu einem Schönling machten. Es beruhigte
Luzia, einen starken Mann im Haus zu wissen, der mit einem Knüppel
umzugehen wusste. Selbst wenn noch nie jemand gewagt hatte, sich
unberufen dem Haus zu nähern, war so weit außerhalb der Stadtmauern
Vorsicht geboten.
    Eigentlich genoss Luzia die Ruhe hier draußen im
Wald, nur der weite Weg für jegliche Besorgungen ärgerte sie. Mit
einem eigenen Kutscher allerdings würde es nicht mehr bei seltenen
Besuchen bleiben. Dann könnte sie öfter mit Magdalene einkaufen.
    Wunderbare Stoffe hatten sie beide ausgesucht, die
den Säugling warm und geborgen halten würden, wobei die Schwägerin
freigiebig ihre Börse handhabte, genauso wie bei allem, was das Kind
betraf. Immer wieder spürte Luzia, wie gerne Magdalene an ihrer
Stelle wäre, wie sehr sie sich danach sehnte, auch Mutter zu werden.
Nun, dazu fehlte Magdalene ein entscheidender Punkt: ein Mann. Jedes
Mal, wenn ein solcher das Haus betrat, ein Kollege Lukas‘, ein
Handwerker, ein Händler oder nur ein Bettler, verkrampfte sie die
Schultern und hielt sich so fern wie möglich. Nicht einmal die
Ehrenbezeugung der Gäste hielt sie aus, ohne vor Angst zu zittern.
Wahrscheinlich hatte sie deshalb so lange gezögert, einen Burschen
einzustellen.
    Die Glocke der Turmuhr schlug, ein Geräusch, das
Luzia anfangs jedes Mal hatte zusammenzucken lassen. Mittlerweile
hörte sie nicht einmal mehr das leise Ticken des Uhrwerks im Turm
und das Schlagen nur, wenn sie nicht schlafen konnte.
    Magdalene würde niemals die Frau eines Mannes
werden. Dabei erkundigten sich durchaus respektable Herren über sie.
Gerade an der Universität fanden sich etliche, die sich für kein
junges Ding begeistern konnten, die eine sittsame Dame in Magdalenes
Alter bevorzugten. Allerdings - nicht jeder Mann konnte so stattlich
sein wie Lukas. Luzia lächelte selig. Welches Glück sie hatte, ihn
ihr Eigen nennen zu dürfen! Beim Gedanken an ihn ließ auch der
letzte Schmerz in ihrem Kreuz nach, sie genoss die wohlige Wärme der
Bettfedern. Zu ihrem Glück fehlte nur noch, dass er seine Studien
sein ließ, zu ihr unter die Decke schlüpfte und sie in den Arm
nahm. Seine Zärtlichkeit hatte in dem Jahr ihrer Ehe nicht
nachgelassen, noch immer erglühte die Lust, wenn sie sich nur
berührten. Auch die Schwangerschaft tat dem keinen Abbruch. Er
verehrte ihren schwellenden Leib wie eine Reliquie, tat alles, Luzia
zu gefallen, worauf sie mit ungewöhnlich starkem Begehren reagierte.
    Aber auch andere Männer besaßen eine anziehende
Erscheinung. Sie ließ die Gesichter seines Kollegiums an sich
vorbeiwandern, wobei sie Heiterkeit unterdrücken musste. Warum sah
sie ausgerechnet diese Trauerklöße vor sich, wenn sie nach
Wohlgestalt forschte? Vielleicht sogar den verknöcherten Griesgram,
dem sie morgen vorzügliche Gastfreundschaft angedeihen lassen würde,
der sich nur um die Bücher ihres Gemahls bekümmerte? Die älteren
Studenten trafen da so manches Mal eher ihren Geschmack. Das Bild des
riesigen Henkers flackerte unerwartet vor
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