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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers
Autoren: Tatjana Stöckler
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streifte das
überschüssige Wasser mit der Bürste ab. Den Dreck, der sich am
Grund des Eimers gesammelt hatte, wischte sie unter den nächsten
Busch, wozu sie einige Schritte laufen musste. Jetzt nur noch zwei
Eimer Wasser vom Brunnen über die Steintreppe gießen, dann durfte
sie zum Frühstück in die Küche.
    Drei der Mädchen warteten vor der Pumpe auf dem
großen Steinpodest, um ihre Eimer zu füllen. Elße stellte sich
hinter sie, spürte aber kein Bedürfnis, dem Flüstern der blonden
Jonata und den anderen Beachtung zu schenken. Frau Mechthild
missbilligte Tratscherei, weshalb sie Schweigen gebot, wann immer
zwei Mädchen beisammenstanden. Trotzdem konnte Elße nicht umhin,
die Worte zu hören.
    »… davongelaufen.«
    »Niemals! Ich habe gesehen, wie Contz und Endres
sie in den Anbau geschleppt haben, einen Knebel im Mund, damit sie
nicht die Herrschaften im Nachbarhaus weckt. Gestrampelt und um sich
geschlagen hat sie, aber die Knechte hielten sie so fest, sie konnte
nicht weg«, sagte Jonata.
    »Ja und wo ist sie jetzt? Die Herrin sagt, sie
sei fort.«
    »Dann erklär mir, weshalb sie ins Haus
geschleift wurde!«
    »Scht!«, unterbrach Elße die beiden, als Endres
sich näherte. Sofort schwiegen sie. Jonata hatte ihren Eimer gefüllt
und machte Platz auf dem Podest, woraufhin die beiden anderen sich
gemeinsam über die Pumpe beugten.
    Alle sechs Knechte der Herrin waren grobe
Gesellen, aber Endres war der schlimmste unter ihnen. Wenn Frau
Mechthild eine Strafe beschloss, führte Endres sie lächelnd aus.
Wie oft schon hatte ein Mädchen mit Striemen auf dem Rücken sich in
den Schlaf geweint. Elße schlug den Blick nieder, trotzdem blieb er
neben ihr stehen.
    »Haar so schwarz wie die Nacht, dazu blaue Augen.
Dich hätte ich auch genommen.«
    Ja, Elße hatte keinen Zweifel daran, dass er sich
nahm, was man ihm nicht gab. Sie wandte den Kopf ab, aber er fasste
ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen, hauchte ihr seinen nach Bier
und Käse stinkenden Atem ins Gesicht. Übelkeit stieg in ihr hoch.
Zwischen seinen grinsenden Lippen wurden faule Zähne sichtbar.
    »Glaub nicht, dass dein dicker Bauch mich stört.
Ich sehe hier nichts anderes und weiß, dass ihr Weiber dadurch umso
heißer werdet. Wenn euch Keuschheit schon nichts bedeutet, solange
ihr noch Jungfrau seid, dann macht euch die Trächtigkeit zu läufigen
Hündinnen.«
    Noch nie hatte Elße sich gefreut, wenn die
Apothekerin erschien, doch diesmal atmete sie auf. Frau Mechthild
schrie aus dem Fenster und Endres trat einen Schritt zurück. Endlich
waren die beiden Mädchen fertig und Elße stellte ihren Eimer unter
den Wasserkran. Sie pumpte energisch.
    »Deine Titten hüpfen wie Forellen im Eimer«,
raunte der Knecht ihr zu und schlenderte weiter.
    Eisige Schauer liefen Elße über den Rücken, und
daran waren nicht nur die Wasserspritzer schuld, die ihre Kleider bis
auf die Haut durchnässten. So ähnlich hatte auch der Marodeur zu
ihr gesprochen, bevor er über sie hergefallen war. Sie beeilte sich,
den Eimer auf die Treppe zu leeren und mit noch einem nachzuspülen.
    In der Küche erwartete sie wohlige Wärme vom
Herd, eng schlang sie ihre Arme um sich und stellte sich vor den
Backofen, aus dem appetitlicher Brotduft drang. Zwei Mädchen saßen
auf Hockern am Tisch und schlürften Buttermilch. Gertrude, die
Köchin, knetete Teig, aus dem sie Fladen formte.
    »Bevor du dich setzt«, rief sie ihr zu, »bring
das Tablett dem Herrn ins Frühstückszimmer!«
    Unwillig sah Elße hoch. Warum sie? Ihr Blick
streifte die beiden Mädchen am Tisch und erst jetzt bemerkte sie die
erschöpft herabgesunkenen Schultern. Eine von den beiden zählte
sicher noch keine zwölf Jahre, ihre Brüste hoben nicht einmal die
einfache Bluse, trotzdem wölbte sich ihr Leib so weit hervor, dass
sie nur noch wenige Tage bis zur Entbindung haben dürfte. Die andere
griff während des Essens unter den Tisch und rieb ihre mit blutigen
Verbänden umwickelten Füße. Das war wohl Mara, die barfuß aus
Gießen gekommen war, weil man sie dort ohne Schuhe mit der Peitsche
aus der Stadt getrieben hatte.
    Mit klammen Händen griff Elße nach dem Tablett.
Die Kleine sprang auf und öffnete ihr die Tür, dankte ihr sogar mit
einem Knicks. Unter ihren Augen lagen schwarze Schatten und im
Gegensatz zu ihrer hageren Gestalt waren die Hände dick
angeschwollen.
    Als Elße die Dienstbotenstiege emporkletterte,
zog ihr der Duft des herrschaftlichen Frühstücks in die Nase. Auf
dem
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