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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums
Autoren: Gabriela Galvani
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Wasserleitungen, die er baut. Aber Meitinger ist mit Conrad von Hallensleben gut bekannt, dem Bibliothekar Anton Fuggers. Ich bin sicher, er würde ...«, Christiane brach ab, weil sie feststellte, dass Martha ihr nicht zuhörte, sondern die Kelle aus der Suppe hob und probierte.
    »Hm«, machte Martha und neigte nachdenklich den Kopf. »Da fehlt etwas. Möchtest du kosten, Christiane?«
    Eigentlich wollte sie das nicht, doch das sagte sie der anderen nicht. Als sei dies das köstlichste Mahl der Welt, trat sie näher und senkte den Kopf über den Löffel. Es fehlte anallem. Seltsamerweise roch die Suppe nach Kohl, sie schmeckte jedoch nach Wasser.
    »Vielleicht könntest du ein wenig Salz hinzufügen«, schlug Christiane zaghaft vor.
    »So ein teures Gewürz für eine so billige Suppe?«
    Schweigend zuckte Christiane mit den Achseln.
    Martha probierte noch einmal, dann lächelte sie versöhnlich. »Du hast ja recht. In jeder Beziehung. Ach, Christiane, ich bin so froh, dass ich mir dich anvertrauen kann. Sei mir bitte nicht böse, wenn ich ausgerechnet zu dir mürrisch bin.«
    »Deine Sorgen nehmen überhand, da ist schlechte Laune doch verständlich«, erwiderte Christiane und legte den Arm um die Schultern ihrer Cousine. »Dennoch solltest du ...«
    Martha winkte ab. »Die Fuggerei ist nichts für Sebastian. Er würde nie zugeben wollen, dass er auf Almosen angewiesen ist. Dabei wäre ich schon froh, wenn wir wenigstens die medizinische Versorgung der Stiftung in Anspruch nehmen dürften. Die soll nämlich gut sein, hat Georg Imhoff mal erzählt. Sie haben da ein Schneidehaus für Operationen und das Holzhaus, in dem die Französische Krankheit behandelt wird ...«
    Christiane schnappte nach Luft. »Leidet etwa ...?«
    »Nein, nein, so schlimm ist es nicht. Aber seit kurzem plagen Sebastian Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Ich mache mir Sorgen, dass er ernsthaft erkrankt ist.«
    »Es wird schon nicht so schlimm sein. Das Wetter tut zurzeit keinem gut.«
    Martha lehnte ihre Wange gegen Christianes Gesicht. »Das ist nicht alles, weißt du, er ist ausgezehrt, übellaunig und verschlossen«, gestand sie so leise, dass Christiane Mühe hatte, die Worte zu verstehen. »Er sieht sogar den Teufel in der Nacht am Fenster vorbeiziehen.«
    »Vielleicht ist er bloß überarbeitet«, erwog Christiane.
    »Ja, möglich. Neuerdings schreibt Sebastian sogar in der Nacht, und ich habe nicht die geringste Ahnung, welches Werk er da verfasst. Er ist wie besessen. Wenn ich ihn frage, winkt er ab. Früher hat er mir seine Texte immer vorgelesen ...«, ihre Stimme erstarb.
    »Nun, es bewegt ihn halt ein zündender Einfall, über den er noch nicht sprechen möchte. Das kann doch sein, oder?«
    »Ich weiß nicht ... zufällig fand ich heute Morgen einen begonnenen Brief an einen Mann in Frankfurt. Weiß der Himmel, was Sebastian von dem will. Mehr als verehrter Herr Delius und ein paar belanglose Einleitungssätze habe ich jedoch nicht lesen können. Es war halt nur ein Entwurf.«
    »Nun, ja, er könnte eine Bekanntschaft gemacht haben, die ...«
    »Davon wüsste ich!«
    »Männer tun Dinge, von denen sie ihren Frauen nichts sagen. Das ist der Lauf der Welt. Deshalb brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Ihr Trost klang selbst in Christianes Ohren ziemlich unglaubwürdig, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, mit welchen Worten sie Martha sonst helfen sollte. Andererseits war es bei aller Offenheit ihres Verwandten sicher möglich, dass er einen Brief aufsetzte, über dessen Inhalt er seine Frau erst im Nachhinein informierte.
    Eine Weile herrschte nachdenkliches Schweigen zwischen den Cousinen, dann fragte Martha plötzlich: »Sag mal, woher hat Georg Imhoff eigentlich so viel Geld? Er schreibt doch nur alberne Geschichten. Ich meine, er ist nicht Ariosto und dient keinem Herrscherhaus. Wieso kann er sich einen Lebensstil leisten, der dem eines Handelsherrn ähnlich ist?«
    »Keine Ahnung. Bisher dachte ich, Erfolg drückt sich auch in Geld aus.«
    »Seit wann werden Schriftsteller am Verkaufserlös ihrer Bücher beteiligt?«
    »Ja, das ist unüblich, sicher, aber vielleicht hat er trotzdem eine solche Vereinbarung mit Meitinger getroffen. Möglicherweise erhält er auch ein Dedikationshonorar. Ich glaube gehört zu haben, dass er seinen letzten Roman einer hochgestellten Dame widmen wollte.«
    »Also gibt es da gewisse Nebeneinkünfte«, resümierte Martha hoffnungsfroh. Sie sah Christiane flehend in die Augen.
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