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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse
Autoren: Pamela Freeman
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Klippenrand schob und sich auf die Plattform zog, wurde er fast davon geblendet.
    Sein Vater erwartete ihn dort, half ihm über den Rand, trat dann jedoch zurück, um ihn mit offenem Mund anzustarren. Bei den Göttern, dachte Ash. Ich bin eine Wühlmaus. Oder ein Wiesel.
    Auch der alte Mann starrte ihn an, und auch der Fuchs und der Wolf, sie alle starrten, als hätten sie so etwas wie ihn noch nie gesehen. Und was, wenn ich eine Schlange bin?, dachte er verzweifelt. Oder ein zahmes Tier, etwa ein Schaf? Bitte kein Schaf.
    Steifbeinig ging er auf die sich spiegelnde glatte Wasseroberfläche zu, und die anderen folgten ihm. Er beugte sich über das reglose Wasser, über seine makellose Reflexion und sah sich.
    Nur sich selbst. Sein eigenes Gesicht, sein normales Gesicht, ein wenig blass, aber sonst so wie immer.
    Ein großer Kummer übermannte ihn, und er verbarg das Gesicht vor seinem Vater, vor den anderen Männern. Der Fluss hatte ihn abgewiesen. Warum? Warum? Wenn sie doch die Gestalt von Eichhörnchen und Wühlmäusen akzeptierte und, ja, sogar Feldmausmänner, warum lehnte sie ihn ab? Er war wertlos, das hatte er schon immer gewusst, zu nichts nutze … Kein Wunder, dass sein Vater ihn nicht alle Lieder gelehrt hatte. Dass dies mit der Tradition zusammenhinge, hatten sie nur gesagt, um ihn zu vertrösten. Er war tief in seinem Inneren mit Fehlern behaftet. Wahrscheinlich hatte der Fluss seinem Vater befohlen, die wahren Geheimnisse
nicht mit ihm zu teilen. Er unterdrückte die Tränen, weil er das Gefühl hatte, wenn er nun anfinge zu weinen, dann würde er nie mehr damit aufhören können.
    »Ah …«, seufzte der alte Mann, während Ash sein Gesicht verbarg. Dann trat er vor. »Willkommen, mein Sohn. Darauf habe ich lange Zeit gewartet.« Er lachte ein wenig. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange!«
    Er nahm Ashs Hände und zog sie ihm vom Gesicht. Ash wollte wegschauen, doch ein letzter Rest von Stolz bewegte ihn dazu, dem Blick des Mannes zu begegnen. Dabei machte er sich auf Hohn und Spott gefasst. Doch die blauen Augen waren voller Freude und Freundschaft. Der alte Mann legte Ash den Arm um die Schultern und wandte sich den anderen zu. Ash schaute beiseite und schlug die Augen nieder, um den Blick seines Vaters zu meiden.
    »Freut euch mit mir«, sagte der alte Mann. »Der Fluss hat wieder einen Liebhaber erwählt.«

Leof
    Thegan kam vor Sonnenuntergang mit einer kleinen Gruppe Krieger an. Es waren außer seinem Pferdeknecht alles Sergeants. Leof lächelte in sich hinein. Wenn man Eidknappen mit in eine Schlacht nahm, das wusste jeder altgediente Soldat, brauchte man gute Sergeants, um Erstere bei der Stange zu halten und dafür zu sorgen, dass sie nicht aus der Reihe tanzten und das Weite suchten.
    »Mein Lord«, sagte Leof, als Thegan aus dem Sattel sprang.
    Thegan klopfte ihm auf die Schulter und ließ seinen Blick über die Landschaft, die in der untergehenden Sonne golden und rosafarben leuchtete, schweifen. Es war ein Anblick absoluten Friedens; Milchkühe zogen auf ihrem gewohnten Weg zu den Melkschuppen, Vögel ließen sich auf ihren Nestern nieder, ein Schäferhund bellte ein abtrünniges Mutterschaf warnend an, um es dann zu seinem Pferch für die Nacht zu treiben, und an der Straße riefen Mütter aus ihren Häusern nach ihren Kindern. Bonhill gab den besten Grund dafür ab, dem Zauberer Widerstand zu leisten.
    »Wo ist er?«, fragte Thegan.
    Leof deutete zu dem Hügel und beschrieb die Arbeit, die der Zauberer verrichtete. »Ich würde vermuten, dass er noch einige Tage dort beschäftigt sein wird, wenn er sämtliche Knochen ausgraben will. Für einen einzelnen Menschen ist es viel Arbeit, ein so großes Gebiet umzugraben.«

    »Die Knochen …«, sinnierte Thegan. »Glaubst du, dass sie es sind, mit deren Hilfe er die Geister erweckt?«
    »Wofür sonst würde er sie brauchen?«
    Thegan nickte mit düsterer Miene. »Ist das der Zauberer, dem du schon einmal begegnet bist?«
    »Nein. Dieser hier ist ein junger Mann, keine dreißig, würde ich sagen. Er ist kein Krieger.«
    »Hmm. Wäre er ein Krieger, müsste er nicht Tricks und Zaubersprüche zu Hilfe nehmen.« Thegan nickte energisch. »Gut gemacht. Wann, glaubst du, werden die Truppen aus Sendat hier eintreffen?«
    »Das hängt davon ab, ob sie die Nacht hindurch marschieren. Wenn sie es tun, könnten sie noch vor Sonnenaufgang zur Stelle sein. Wenn nicht, spätestens bis Mittag.«
    Thegan rief nach seinem Pferdeknecht. »Sandy,
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