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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sechs Kilometer bis nach Hause zu Fuß gegangen bin, um das Geld für die Fahrkarte zu sparen! Ich hatte gerade genug, um Zahnpasta und Tampax zu kaufen. Ach ja, da wir gerade davon sprechen … würdest du dir deine Tampons selbst mitbringen, statt ständig meine zu schnorren?«
    Leslie war sich bewußt, was sie da tat. Mit diesen ganz alltäglichen Zänkereien unter Schwestern versuchte sie, die Erinnerung an den schwebenden Aschenbecher zu verdrängen.
    Von der Veranda waren Schritte zu vernehmen.
    »Da kommt Joel. Laß dir das Abendessen schmecken, Em. Wahrscheinlich bin ich vor zwölf wieder zurück …«
    »Wenn dein Märchenprinz dich nicht über Nacht entführt«, meinte Emily, doch Leslie schüttelte den Kopf.
    »Ich habe morgen in aller Frühe einen Termin.«
    »Nimm deine Schlüssel mit«, sagte Emily. »Ich komme spät nach Hause. Bin bei den Simmons zum Babysitten. Ihr Sprößling ist ein echter Satansbraten. Ich glaube, ich laß mich wirklich zum Klavierstimmen ausbilden. Das ist angenehmer. Vor allem für die Ohren.«
    Leslie schaute in ihrer Handtasche nach, um sich zu vergewissern, daß sie ihren Hausschlüssel dabeihatte. »Denk daran, den Riegel vorzuschieben«, mahnte sie ihre Schwester und ging zur Tür.

2
     
     
    Das Essen war ausgezeichnet: knackiger Salat mit reichlich Fetakäse, dazu Blätterteigpastete, gefüllt mit gehacktem Hühnerfleisch und Rosinen und mit Zimt und Kardamom gewürzt. Joel, der heute besonders attraktiv aussah und vor guter Laune nur so sprühte, bestellte eine Flasche guten Wein. »Soll ich dir mal etwas Interessantes über den Fall Hanrahan erzählen?«
    »Deinen letzten Fall?« sagte Leslie interessiert. Da auch sie bei der Arbeit ständig nach Hinweisen suchen mußte, was mögliche psychische Probleme ihrer Patienten betraf, hörte sie Joel gern zu, wenn er von seinen Mandanten erzählte. »Da ging es um Erregung öffentlichen Ärgernisses, nicht wahr? Was war denn nun? Hat man bloß versucht, dem Mann etwas anzuhängen?« Exhibitionisten begingen zwar selten schwere Straftaten – auf einer Skala der Sexualdelikte wären sie am entgegengesetzten Ende eines Joaquin Mendoza angesiedelt –, aber gestört waren solche Menschen allemal.
    »Ach was, die Sache war einfach nur blöde«, antwortete Joel, steckte sich ein Stück Hähnchenfüllung in den Mund und versuchte weiterzusprechen. Lachend gab er auf, kaute zu Ende und erzählte dann weiter. »Erinnerst du dich noch an das Rockkonzert letztes Jahr? Ach, nein, da hast du ja noch in Sacramento gewohnt. Aber du weißt ja, wie es bei solchen Veranstaltungen zugeht. Die Jugendlichen knutschen, befummeln sich oder treiben es unter den Wolldecken, die sie mitschleppen.«
    Leslie nickte. »Und weiter?«
    »Also, dieser Hanrahan ist homosexuell. Er und sein Freund leben seit neun Jahren zusammen. Sie führen einen kleinen Buchladen oben in Castro, unserem berühmten Schwulenviertel. Jedenfalls, sie waren auch auf dem Konzert. Offenbar haben sie diesen Kids zugeschaut, kriegten romantische Anwandlungen und faßten sich an den Händen – du lieber Himmel, das ganze Theater wegen ein bißchen Händchenhalten! Eine alte Frau hat sich über die beiden beschwert, und irgendein übereifriger Trottel von Polizist hat sie wegen unzüchtiger Handlungen in der Öffentlichkeit festgenommen.« Joel hob sein Weinglas, schüttelte den Kopf und nahm einen tiefen Schluck.
    »Das kann ich mir gar nicht vorstellen, Joel. Die beiden müssen außer Händchenhalten noch etwas anderes getan haben, sonst wären sie doch nicht verhaftet worden.«
    »Das dachte ich zuerst auch. Aber diese alte Kuh, die sich gestört fühlte, hatte das ›anstößige Benehmen‹ der Jungs sogar mit einer Polaroid-Kamera verewigt«, erklärte Joel. »Ich hab’ das Foto gesehen, Les. Ron hält Joes Hand, und Joe hat den Kopf an die Schulter seines Freundes gelegt. So ein perverser Schweinkram, was? Weißt du, Les, ich halte auch nicht viel von den Typen, die in den Szene-Bars herumhängen – ganz abgesehen davon, daß ich mir nicht vorstellen kann, warum ein Mann unbedingt mit einem anderen Mann ins Bett gehen will, wo es doch so viele tolle Frauen gibt …« Er legte die Gabel neben den Teller und bedachte Leslie mit einem zärtlichen Lächeln. »Aber zwei Männer zu verhaften, weil sie sich an den Händen halten … vor allem wenn man bedenkt, was um die beiden herum vor sich ging.«
    Leslie lächelte. »Wie hat der Polizist die Verhaftung begründet?«
    »Nach
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