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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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schaute Simon an und vermeinte, ein berechnendes, beinahe höhnisches Grinsen auf seinem Gesicht zu entdecken. Sie fragte sich, wie sie diesen Mann jemals hatte lieben können.
    Und dann donnerte wieder Colins Stimme.
    »Rasch, Simon! Während wir hier stehen, läuft deine Zeit ab! Ich kann sie nicht mehr lange anhalten! Entscheide dich für die Finsternis oder das Licht, und sei auf ewig an deine Wahl gebunden!«
    Die Zeit schien stehengeblieben zu sein. Leslie nahm nicht einmal mehr ihren eigenen Atem wahr. Bleiern stand die Gegenwart im Raum.
    Dann hörte Leslie, wie Simon laut, beinahe schluchzend Atem holte.
    »Ich werde … mich nie wieder versuchen lassen, in das Schicksal einzugreifen, das die Herren des Karma mir zugedacht haben«, hörte sie ihn mit gequälter, rauher Stimme sagen. »Sie sind fern und nahe zugleich, deshalb bin ich der Versuchung erlegen … Ich lobe und preise die Mächte des Lichts für die Rettung meines Auges. Ich …« Halb erstickt stieß er die letzten Worte hervor. »Ich entsage … der Versuchung auf ewig, und meine Macht … schenke ich Emily …«
    Er wandte sich dem jungen Mädchen zu und legte ihr beide Hände auf die Schultern. Dann beugte er sich vor und küßte sie zum ersten und zum letzten Mal auf die Lippen.
    Wie benommen stand Emily da. Ihr Gesicht war tränenüberströmt.
    Simon trat zu Chrissy, beugte sich über das reglos daliegende Kind. Er hob seine verkrüppelte Hand, und einen Moment dachte Leslie entsetzt, er wolle das Mädchen schlagen. »Auf daß ich nie wieder versucht werde!« schrie Simon laut. Krachend schmetterte er seine Linke auf die Kante des umgestürzten Altars. Leslie hörte die Knochen knirschen und zerbrechen, und Simons Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Voller Qual krümmte er sich zusammen und barg seine gebrochene Linke in den Fingern seiner gesunden Hand.
    »Emily«, flüsterte er, »du wirst … mein Concerto spielen …«
    Und dann zog Leslie ihn in die Arme und spürte, wie er vor Schmerz und Verzweiflung zitterte. Zugleich aber wußte sie mit einer Klarsicht, die nicht von dieser Welt war, daß er jetzt für immer ihr gehörte und daß sie ihr Leben damit verbringen würde, ihm die grausame Wahl, die er getroffen hatte, erträglich zu machen.
    Regungslos und totenbleich stand Colin da, doch seine Augen blitzten triumphierend.
    Und Chrissy rappelte sich auf und blinzelte.
    »Mommy«, jammerte sie. »Ich will zu meiner Mommy.«
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