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Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Titel: Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes
Autoren: V.C. Andrews
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allerdings nicht oft der Fall war. Vor kurzem hatte sie eine hässliche Scheidung hinter sich gebracht, bei der ihr Mann sie des Ehebruchs beschuldigte – und nicht nur mit einem Geliebten! Das erzählte man mir allerdings nicht. Das schnappte ich zufällig auf.
    In unserem Haus bleiben Geheimnisse nie lange verborgen.
    Jeder würde denken, dass Tante Alison Mitleid mit Mommy hätte. Nicht lange nach Brodys Tod erlitt Mommy durch einen Sturz vom Pferd eine Querschnittslähmung. Danach hatte sie Schreckliches unter Tante Victoria, Großmutter Megans merkwürdiger, verrückter Schwester, zu erdulden. Eine Weile hielt sie Mommy wie eine Gefangene in diesem Haus. Mommy hasste es, darüber zu reden. Sie sagte, es würde ihre Alpträume wieder zum Leben erwecken. Aber Mommy glaubte, sie sei dafür bestraft worden, dass sie all dieses Unglück brächte. Sie glaubte tatsächlich, es verdient zu haben, und wenn mein Vater Austin nicht gewesen wäre,
der damals ihr Physiotherapeut war, wäre es ihr vielleicht gelungen, sich in eben diesem See, der jetzt so heiter und ruhig vor uns lag, das Leben zu nehmen.
    Wir hatten diesen See mit genug Tränen gefüllt, schien mir. Jetzt war Zeit für Heiterkeit, Lachen und Sonnenschein, und wenn meine Geburt und meine Geburtstage nötig waren, um diese Gefühle immer stärker werden zu lassen, war ich froh darüber.
    Von dem Punkt aus, an dem wir den See überblickten, um unsere Wünsche auszusprechen, sahen wir Onkel Roy, Mommys Stiefbruder, der eine Fensterlade seines Hauses reparierte. Nachdem er die Armee verlassen hatte, hatte Mommy ihn gebeten, für das Bauunternehmen zu arbeiten, das ihr und Großmutter Megan gehörte. Er wurde Vorarbeiter und begann sich mit meinem Kindermädchen Glenda Robinson zu verabreden, einer unverheirateten Mutter mit einem Kind, das nur ein Jahr älter war als ich, einem Jungen namens Harley. Als Onkel Roy ihr einen Antrag machte und sie zustimmte, ihn zu heiraten, entschied Mommy, dass sie sich auf unserem Grund und Boden ein Haus bauen sollten.
    »Ich besitze doch all dieses Land, Roy«, sagte sie, »aber ich habe keine Verwendung dafür. Ich werde weder Baumwolle noch Tabak anpflanzen. Das ist nicht Tara«, scherzte sie.
    Nach dem, was sie mir erzählte, war Onkel Roy alles andere als erpicht darauf, das zu tun. Sie musste meinen Vater dazu bringen, ihn dazu zu überreden. Onkel Roy hatte seine Gründe, die laut Mommy seinem halsstarrigen
Stolz entsprangen. Später erfuhr ich, dass es noch andere Gründe gab, vielleicht noch wichtigere oder tieferliegende Gründe, die im Grunde deines Herzens wurzelten und sich fast täglich Gehör verschafften.
    Mommy beschrieb mir gerne die dramatischen Szenen aus ihrer Vergangenheit, wobei ihre Stimme tiefer wurde, um Onkel Roy nachzumachen. Manchmal lachte ich, manchmal hörte ich staunend zu, völlig fasziniert von ihrer Fähigkeit, alles direkt vor mir erstehen zu lassen. Schließlich hatte Mommy eine renommierte Londoner Schauspielschule besucht und wäre fast Schauspielerin geworden.
    »Roy wollte trotzdem kein Haus hier bauen«, erzählte sie mir. »Ich warf ihm vor, er hätte Angst, eine weiße Frau zu heiraten und mit einem weißen Mann, der eine Afroamerikanerin geheiratet hat, auf dem gleichen Anwesen zu leben.
    ›Du bist doch halb weiß‹, erinnerte Roy mich.
    ›Vor hundertfünfzig Jahren‹, entgegnete ich, ›wäre ich trotzdem eine Sklavin, Roy Arnold. Versuch mir nicht das Gefühl zu geben, ich wäre schlechter oder besser als du.Wenn Mama Latisha so ein Gerede hörte, würde sie dir eine ordentliche Tracht Prügel verpassen‹, sagte ich ihm und drohte ihm mit dem Finger. Er musste den Kopf schütteln und lachen. Darauf gab er nach und baute das Haus«, erzählte sie mir.
    Ein Jahr später heiratete er Glenda. Sie bekamen ein Mädchen, das sie nach Onkel Roys Mutter und Mommys Adoptivmutter Latisha nannten. Sie war ein hübsches
Kind, aber kurz nach ihrem dritten Geburtstag bekam sie Leukämie. Sie verfiel so schnell, dass den Ärzten kaum Zeit blieb, ihnen zu sagen, wie wenig Hoffnung bestand.
    Es brachte Tante Glenda fast um. Beinahe verlor sie ihren Glauben. Aber dann wurde sie, statt Gott zu hassen, sehr religiös. Harley erzählte mir einmal, dass seine Mutter glaubte, Kinder würden für die Sünden ihrer Eltern bestraft. Nach dem Tod der kleinen Latisha glaubte Tante Glenda, wenn sie nicht rechtschaffen würde, müsste ihre Tochter im Jenseits noch mehr leiden. Sie ging ganz in dieser
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