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Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus

Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus

Titel: Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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harteisernen Nagel als Achse quer durchstecken zu können. Dann schnitzte er aus gut getrocknetem Eisbeerholz den fast fingerlangen Widerstand. Dieser bekam oben einen Kopf, dessen Kinn die gespannte Saite zu halten hatte. Unten endete er in einem Zünglein. Der stärkere Mittelteil des Widerstandes wurde durchlocht, hier mußte die in den Backen sitzende Achse durchgehen. Den unförmigen Eichenprügel, dessen dickes Ende sich beim Abdrücken als Kolben gegen die Schulter stemmen ließ, entrindete Hans, spannte ihn in die Schnitzbank, glättete ihn mit dem Schnitzmesser, machte den Kolben flach, höhlte oben vom Durchlaß des Widerstandes bis zum gegabelten Ende mit dem Hohlmeißel eine Führungsrinne für den Pfeil aus, nahm den oberen, im Wege stehenden Zweigstummel der Gabelung weg, beließ aber den unteren, damit der Bogen im Zweigwinkel einen Halt hatte. Und weil beim Ziehen am Zünglein die gespannte Bogensaite mit einem hörbaren »Schnapp« über den im Durchlaß untertauchenden Kopf des Widerstandes hinüberhüpfte, nannte Hans sein neues Schießgerät »Schnäpper«. Seinen Eltern zeigte er es erst, als er den Kolben auf der einen Seite mit dem Sonnenbild, auf der anderen mit einem schwebenden Adler geziert hatte und mit dem Schnäpper gut umgehen konnte.
    Bewundernd drehte der Vater Hansens neuestes Werk in den Händen. Eine Erinnerung dämmerte in ihm auf. Lächelnd sagte er: »Hans, wenn du alt genug wirst, erfindest du noch alles, was sie draußen haben in der großen Welt.«
    Tags darauf kletterte Hans mit seinem Schnäpper zur Klammhöhe empor, und abends brachte er den Adler heim, samt einem weißen, krauswolligen Lamm, das der Räuber wohl draußen jenseits der Klammwände gegriffen hatte. Wieder etwas Wunderbares aus der großen Welt!
    Jetzt hatte Hans keine Ruhe mehr; er mußte hinüber. Er brachte an den Adlerflügeln Riemen an, mit denen er sie an seinen Armen befestigte. Dann versuchte er, von der Höhe des Sonnsteins niederzufliegen zur Sandbank. Aber so kräftig er die Luft mit den Fittichen schlug, er sauste unaufhaltsam abwärts, kaum daß die Schwingen die Wucht seines Falles abzuschwächen vermochten. Bis zu den Knöcheln sank er im feuchten Sand ein, schlug sich Knie und Kinn blutig und fiel plump vornüber. Immer wieder versuchte er den Adlerflug nachzuahmen, und es dauerte eine Weile, bis ihm die Erkenntnis dämmerte, daß für seinen schweren Körper andere Fittiche nötig gewesen wären als die des Adlers.
    Aber ganz gab er sein Vorhaben nicht auf.
    War ihm so vieles gelungen, so sollte ihm das Fliegen auch noch gelingen, vielleicht anders, als er jetzt meinte! Vorerst aber fügte er sich darein, daß ihm in die Welt hinaus kein anderer Weg blieb als der durch die Klamm. Er hatte die Vorstellung, daß die Schlucht vom Abfluß des Seewassers erfüllt sei, dessen ununterbrochenes Rauschen durch den Grund hallte. Wenn er einmal imstande sein sollte, wie eine Forelle durch die reißende Ache seinen Weg zu nehmen, dann mußte er wohl erst das Schwimmen erlernen. Wie beneidete er die Wasserratten und Spitzmäuse im Bereich des Moorsees, die im Schwimmen und Tauchen gleich geschickt waren! Bei näherem Zusehen entdeckte er, daß sie nichts anderes taten, als ihre Beine wie im raschen Lauf zu bewegen. Das versuchte auch er in der seichten Triftbucht.
    Da das Wasser nicht tief war, fanden die Füße immer wieder den Boden. Immerhin brachte er seine Beine dazu, das Wasser zu schlagen; leider geriet er dabei mit dem Kopf darunter und schluckte viel Nasses. Da mußte das Schlagen mit den Armen die Brust wieder heben. Das erste Mal ging Hans nicht eher aus dem Bad, als bis er, wenn prustend und keuchend, sich auf dem Wasser halten konnte.
    Von da an setzte er seine Übungen täglich fort, an heißen Tagen ging er sogar zweimal zum Schwimmen, und bald fühlte er sich im Wasser so sicher, daß er sich nicht mehr an das Vorbild der vierfüßigen Schwimmer zu halten brauchte. Mit den Armen ausgreifend, wagte er sich in die Tiefen des Moorsees, wo er tauchte, wie die Wildenten zu tauchen pflegen. Zur großen Verwunderung seines Vaters brachte er aus dem Schlamm unter dem verfallenen Pfahlbau die ersten gebrannten Lehmscherben herauf und die Hälften eines Steinbeils mit einem Zapfen im Bohrloch. Als Altertümer bekamen sie in seiner Sammlung einen Ehrenplatz.
    Hans wurde wieder in sich gekehrt und schweigsam. Er nahm sich, wie gewohnt, der Hausarbeit an; es gelang ihm jedoch nicht, die Mutter darüber
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