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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer
Autoren: Wolf Serno
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Freyja Säckler, ich hoffe, du ersparst dir und uns weitere Anstrengungen. Gestehe, dass du eine Malefizperson bist. Bekenne dich zu Luzifer, mit dem du im Bunde bist, gemäß den vorliegenden Zeugenaussagen, und vor allem: schwöre ab, damit du, so du brennen wirst, nicht im ewigen Fegefeuer endest.«
    Bei den letzten Worten glaubte Lapidius einen lüsternen Glanz in den Augen des Richters erkannt zu haben, und er fragte sich, ob dem wirklich so war. Doch bevor er sich näher mit dem Gedanken beschäftigen konnte, antwortete die Angeklagte:
    »Nichts werd ich. So wahr ich hier steh. Und so wahr ich keine Hexe bin!«
    Meckels Finger schlugen erneut einen Trommelwirbel. »Das hatten wir doch alles schon, Freyja Säckler!« Sein Ton klang plötzlich gereizt. »Du bist eine Hexe. Es gibt Zeugenaussagen dafür. Gestehe und mach dieser Posse ein Ende! Ich sage dir, und ich sage es zum letzten Mal: Das Gericht kann auch anders. Die Daumenschrauben waren erst der Anfang. Glaube mir: Die Schmerzen der Schrauben werden dir gegen die des Stachelstuhls und des Streckbetts vorkommen wie Liebkosungen.«
    »Ich bin keine Hexe!«
    »Das sagen alle, aber bisher hat sich noch jede unter der Folter dazu bekannt.«
    »Ich bin keine Hexe! Ich bin keine Hexe! Ich bin keine Hexe! Geht das nicht in Euren Kopf rein, verdammt noch mal?« Trotzig schob die Säckler das Kinn vor.
    Für einen Augenblick war Meckel fassungslos. Dann schoss er von seinem Sitz hoch. »Sie hat die Würde des Gerichts missachtet!«, schrie er. »Und sie hat geflucht! Die Herren Schöffen haben es gehört! Sie hat gotteslästerlich geflucht! «
    Die Schöffen, eine Auswahl ebenso unbescholtener wie selbstgerechter Kirchroder Bürger, blickten empört. Sie steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, während Meckels Hand übergangslos auf den Schreiber zielte, ein dünnes Männchen, das etwas abseits an einem Pult saß. »Habt Ihr das mitgeschrieben, Herr Protokollführer? Ja? Gut! Alles, was die Angeklagte äußert, muss genauestens festgehalten werden, alles, was sie als Hexe ausweist, alles, einfach alles!«
    Lapidius wollte sich einmischen, aber schon schrie der Richter weiter: »Freyja Säckler, wir sind nicht gewillt, deine Widerborstigkeit länger hinzunehmen! Unsere Geduld ist erschöpft! Jetzt werden andere Saiten aufgezogen! Gunthart, reiß der Angeklagten die Kleider herunter! Ein Hexenmal auf ihrem Körper wird sie als Dämonin entlarven.«
    Jetzt konnte Lapidius nicht länger an sich halten: »Verzeiht, verehrter Richter«, sagte er, so ruhig er konnte, »haltet Ihr es wahrhaftig für notwendig, die Angeklagte zu entkleiden? Fluchen macht eine Frau nicht gleich zur Hexe. Und ein Stigma maleficarum kann auch ein harmloser Leberfleck sein.«
    Lapidius’ besonnene Art verfehlte ihre Wirkung nicht. Meckel rang um Haltung. »Bei Gott, Herr Magister«, sagte er mühsam, »ich habe Euch nicht gebeten, hier zu bleiben, damit Ihr das Prozedere stört – Gunthart, tue, wie dir befohlen wurde! –, dennoch will ich Euch antworten. Wisset also, dass nach dem Hexenhammer die Hexe eine ›in der Ketzerei der Hexen Ertappte‹ ist, welches sich auf dreierlei Arten deutlich macht: erstens durch das Indizium der Tat, das heißt, wenn die Betroffene öffentlich Ketzerei gelehrt hat, etwa durch Drohungen wie: ›Du wirst niemals gesunde Tage mehr haben! ‹ Eine solche Drohung hat die Säckler nachweislich ausgestoßen. Zweitens durch gesetzmäßige Beweise der Zeugen, die in diesem Falle angaben, dass ein von der Säckler berührter Axtstiel augenblicklich zu bluten begann. Und drittens durch das eigene Geständnis. Und eben dieses will ich hier und heute durch die Peinliche Befragung herbeiführen.«
    Lapidius zog es vor, nicht auf die Ausführungen des Richters einzugehen. Statt zu antworten, trat er auf die mittlerweile Entkleidete zu. Gunthart stand hinter ihr, die groben Hände wie Schraubstockbacken in ihre Schultern gekrallt. Hilflos wie am Pranger stand die Säckler da – die Augen geschlossen, der schöne Mund nur ein Strich.
    »Lass sie los, Gunthart.« Lapidius hatte auch am Körper kleine, pustelähnliche Erhöhungen erspäht. Er zwang sich, nicht auf die wohl gerundeten Brüste zu blicken, und nahm den Ausschlag in Augenschein. Dann betastete er die schorfig-nässenden Punkte, zog sie mit den Daumen auseinander, beroch sie, überprüfte das austretende Secretum und wiederholte anschließend das Ganze noch einmal. Und j e länger seine Untersuchung
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