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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Thiel
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Brüder und Schwestern.«
    Tillmann war außer Atem. Die Gemeinde war nun so ruhig, dass man das
gleichmäßige Hecheln des Mannes in der gesamten Kirche hören konnte.
    »Sie lautet: Es sind zu viele für Gott. Viel zu viele!« Ein Schaudern
lag über den Menschen. Pfarrer Tillmann war für seine harten Worte und seine Frömmigkeit
bekannt, doch dass er die Sünden seiner Gemeinde so direkt an den Pranger stellte,
war selbst in seinen Predigten eine Seltenheit. »Lasst uns beten, dass er uns die
Stärke gebe, unsere Tugenden zu leben und unsere Laster zu besiegen.«

Kapitel 2
     
    - Ein dunkler Begleiter -
     
    Der eisige Wind hatte noch einmal zugenommen, als sie aus der
Kirche heraustraten. Da sie nun mehr als eine Stunde in dem dunklen Gebäude gesessen
hatten, kam ihnen der Schnee umso weißer vor. Das reflektierende Glitzern stach
in ihren Augen. Pfarrer Tillmanns Predigt hinterließ bei ihnen allen ein Gefühl
der Schuld, obwohl die Familie fromm war und sich weitestgehend an die Regeln und
Gebote der Kirche hielt. Natürlich war das nicht immer möglich, das Leben der Schmiede
war hart, und manchmal musste sogar sonntags gearbeitet werden.
    »Der Pfarrer wählt deutliche Worte«, sagte die Mutter und blickte dabei
unverhohlen ihren Gatten an.
    »Fürwahr. Doch sie sind recht«, murrte er. »Wer
weiß, ob der Krieg eine Strafe ist, die uns Gott auferlegt hat.«
    »Würde er das wollen?«, schaltete sich Lorenz in das Gespräch ein.
»Warum sollte der Allmächtige seine eigenen Kinder mit Krieg und Tod überziehen
wollen? Was sollte das für einen Sinn haben?«
    »Vielleicht als Prüfung«, entgegnete sein Vater scharf. »Wenn Dummheit
aus jedem Worte und jeder Tat von Kindern spricht, müssen sie bestraft werden, damit
sie es nicht wiederholen.«
    Er achtete kleinlich darauf, dass die anderen Besucher der Messe nichts
von ihrer Unterhaltung mitbekamen. Die Familie galt als angesehen und gottesfürchtig.
Und als Oberhaupt wollte der Vater darauf achten, dass dies so bliebe.
    »Ist eine Bestrafung mit dem Tod denn wirklich als Gottes Wille anzusehen?
Oder ist dies der Wille von Menschen?«
    Lorenz’ Blick blieb auf seinem Vater haften. Für einen Moment funkelten
sich die beiden groß gewachsenen Männer an.
    »Genug!«, sagte die Mutter und stellte sich demonstrativ zwischen die
beiden. »Lorenz, widersprich deinem Vater nicht! Wir brauchen Feuerholz, also schleicht
euch!«
    Mit dem Kopf nickte sie dabei in Richtung der älteren Brüder, bevor
sie sich ihrem Mann zuwandte.
    »Und Josef, du musst ihn nicht immer so reizen. Du weißt, unser Sohn
hat seinen eigenen Kopf«, sagte sie, darauf bedacht, leise zu sprechen. Marta strich
ihm über den Arm, eine flüchtige Geste der Zärtlichkeit.
    »Natürlich. Er sollte allerdings aufpassen, dass dieser dauerhaft an
seinem Körper zu bleiben gedenkt. Zu schnell ist hier ein Todesurteil gefällt. Zu
schnell ist etwas, das gestern gut war, heute böse und andersrum. Ich will ihn doch
nur beschützen, Marta.«
    »Ich weiß, Josef. Ich weiß.«
    Ihrer beider Blick verfolgte wehmütig die ältesten Söhne, wohl wissend,
was geschehen würde, sollte der Krieg sie einholen.
     
    »Das war ja großartig«, schnaubte Maximilian kopfschüttelnd. Sie hatten
den Marktplatz verlassen und trotteten über die vom Schnee weiß gemalten Pflastersteine
zwischen den Fachwerkhäusern mit ihren verzierten Fenstern und hell geweißelten
Fassaden hin. Von der Betriebsamkeit des Markplatzes war hier nichts mehr zu spüren.
Die Stille, nur unterbrochen vom leichten Knarren des Schnees, wirkte beruhigend.
Nur die über allem thronende Kurkölnische Landesburg und die dicken Wälle, die auch
von der Gasse aus zu sehen waren, erinnerten an das drohende Unheil und die immer
präsente Gefahr.
    »Warum meinst du das?«, fragte Lorenz, obwohl er die Antwort genau
kannte.
    »Du kennst doch Vater. Wie kannst du in seiner Gegenwart nur so einen
Unsinn erzählen?«
    »Es sind halt meine Gedanken. Und sind wir nicht alle frei genug, diese
aussprechen zu dürfen?«
    Ihre Schritte knirschten im Schnee, als Maximilian seinen Bruder schroff
an der Schulter fasste.
    »Wenn so viele Leute dabei sind, solltest du vielleicht deine Gedanken
für dich behalten.«
    Nur kurz hielt Lorenz dem Blick seines älteren Bruders stand, dann
schaute er reumütig zu Boden. Maximilians Stimme war nun versöhnlicher.
    »Lorenz, du weißt genau, was mit Anna aus Crefeld passiert ist. Bei
lebendigem Leibe haben sie sie verbrannt.
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