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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu
Autoren: Pauline Gedge
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zugleich beschwichtigte. Ich erzählte ihr von meiner Familie, von unserem Anwesen in Pi-Ramses, von den Kämpfen mit meinem Vater, der wollte, daß ich Kaufmann wurde wie er, und von meinem endgültigen Sieg und der Zulassung zur Militärschule, die dem Palast angegliedert war. „Ich möchte einen Posten an der östlichen Grenze haben, wenn ich zum höheren Offizier befördert werde“, schloß ich, „aber bis dahin stehe ich unter dem Befehl von General Paiis, bei dem ich Wache...“ Weiter kam ich nicht. Mit einem Aufschrei packte sie meine Schulter.
    „Paiis! Paiis! Dieser Apophiswurm! Diese Kanalratte! Und den habe ich einmal anziehend gefunden. Das war, ehe.“ Sie rang nach Fassung. Flink schob ich ihre Hand von meiner Schulter. Sie war nicht mehr warm. „Ist er noch immer so schön und charmant? Versuchen Prinzessinnen noch immer, mit List und Tücke in sein Bett zu kommen?“ Sie hämmerte jetzt auf den Erdboden ein. „Wo bleibt dein Erbarmen, Wepwawet? Ich habe für meine Taten wieder und wieder gezahlt.
    Ich habe mich bemüht, zu vergessen und die Hoffnung aufzugeben, und jetzt dieses!“ Unbeholfen kam sie hoch und lief an mir vorbei, und ich war gerade aufgestanden, als sie bereits wieder zurück war, einen Kasten an sich gedrückt. Ihre Augen blickten wild. „Kamen, höre mich bitte, bitte unvoreingenommen an! Um meines Kas willen flehe ich dich an, bring diesen Kasten in Paiis’ Haus. Aber gib ihn nicht Paiis persönlich. Er würde ihn vernichten oder noch Schlimmeres. Übergib ihn einem Mann des Königs, von denen doch viele an dir vorbeikommen müssen. Bitte darum, daß man ihn Ramses persönlich überbringt. Denk dir, wenn du möchtest, eine Geschichte aus. Sag, wenn du möchtest, die Wahrheit. Aber gib ihn nicht Paiis. Du kannst von mir halten, was du willst, wenn du jedoch Zweifel hast, einen Hauch von Zweifel, dann hilf mir! Es ist ein kleiner Gefallen, nicht wahr? Der Pharao wird jeden Tag mit Bittschriften überhäuft. Bitte!“
    Meine Hand fuhr zum Schwert, ohne nachzudenken, so wie ich es gelernt hatte. Doch man hatte mich gelehrt, mir Feinde vom Leib zu halten, nicht halsstarrige Frauen, die kaum noch bei Sinnen waren. Meine Finger schlossen sich um den Griff und blieben dort. „Ich bin nicht der richtige Mann für diese Aufgabe“, wehrte ich mich und bemühte mich um einen gelassenen Ton. „Solchen Menschen darf ich mich nicht so ungezwungen nähern, wie du glaubst, und falls ich einen Freund meines Vaters darum bitte, wird der sich von der Richtigkeit überzeugen wollen, ehe er riskiert, sich vor dem Einzig-Einen zu blamieren. Warum hast du deinen Kasten nicht dem Dorfschulzen von Aswat gegeben, damit er zusammen mit seinen Briefschaften an den Gouverneur dieser Provinz geschickt wird und durch diesen an den Iri-pat des Pharaos? Warum belästigst du Herolde, von denen dir doch keiner helfen will?“
    „Weil ich hier geächtet bin“, sagte sie laut. Ich merkte, daß sie sich bemühte, vernünftig zu sprechen, doch ihr Körper war angespannt und ihre Stimme belegt. „Ich stamme aus Aswat, aber für meine Nachbarn bin ich eine Schande, sie meiden mich. Der Schulze hat es mir viele Male abgeschlagen. Die Dorfbewohner stellen sicher, daß meine Stimme nicht gehört wird, und streiten alles ab, wenn jemand mir vielleicht helfen möchte. Sie wollen nicht, daß der Schorf von der Wunde ihrer Schmach gerissen wird. Und so bin und bleibe ich die Irre, ein Ärgernis, das sie weniger in Verruf bringt als eine verbannte Mörderin, die ein Gnadengesuch einreichen will.“ Und mit einem Schulterzucken: „Sogar mein Bruder Pa-ari will nichts unternehmen, und dabei liebt er mich. Es verstieße gegen seinen Gerechtigkeitssinn, wenn der König mir endlich ein geneigtes Ohr leihen würde. Niemand will seine Stellung für mich aufs Spiel setzen, ganz zu schweigen von seinem Leben.“ Sie streckte mir den Kasten mit beiden Händen hin, drückte ihn sanft an meine Brust und blickte mir tief in die Augen. „Aber du, ja?“
    Ich wünschte mich aus tiefstem Herzen weit, weit weg von hier, denn mich hatte das Mitleid gepackt, das einzige Gefühl, das einem Mann wirklich die ganze Kraft rauben kann. Wenn ich den Kasten nahm, würde ihre irre Besessenheit vielleicht nachlassen. Ich hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, wie es sein mochte, wenn man Monat um Monat, Jahr um Jahr zum Ufer ging, dem Hohn und Spott der Männer trotzte, die man ansprechen mußte, und Weigerung, Verachtung oder,
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