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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Autoren: Eric Walz
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ihrem rundlichen Körper auf dem Stein hin und her. Sie genoss ganz offensichtlich dieses neue Leben, das ihr noch einmal geschenkt worden war. Die Frühlingssonne überzog ihre Haut mit einem goldenen Schimmer, und ein Windhauch spielte mit ihren Haaren, die sie neuerdings fast offen trug, wie ein Bauernmädchen. Sie summte eine Melodie, die aus Byzanz stammen mochte, aber ansonsten lag diese Welt der Bücklinge und Kratzfüße, der Prunkgewänder und Zeremonien weit hinter ihr.
    Das Tal erstrahlte in all seiner Frische und Farbenpracht, und Marocia gab sich für einen Moment dem egoistischen, aber wunderbar wohltuenden Gedanken hin, dass sie mit Eudoxia, dem schon zweimal verloren geglaubten Kind, ihre letzten Jahre verbringen durfte, hier, in Fontana Liri, zwischen warmen Steinen, singenden Zikaden, dem rauschenden Wind der Sabiner Berge und den Duftwogen der Pinien.
    Eudoxia unterbrach Marocias Tagträumerei mit einer völlig unerwarteten Frage. »Wäre es nicht schön, Mutter, wenn jetzt auch noch Crescentius bei uns säße und mit uns lachen würde? Ich kenne ihn ja kaum, aber er gehört doch irgendwie zu mir.«
    Marocia sah ihre Tochter ausdruckslos an. Was sollte diese Bemerkung? »Crescentius lacht nie«, erwiderte sie ohne Heftigkeit, aber knapp. Marocias Kopf zitterte. »Ich habe bei Crescentius alles versucht, ihm einen Platz geboten . . .«
    »Nur an Eurer Seite oder auch in Eurem Herzen, Mutter?«
    Marocia stand auf und wandte Eudoxia den Rücken zu. Sie rammte ihre Faust in die Luft und blickte ziellos umher. »Er hat mich verletzt, zum Teufel. Und es hat ihm gefallen. Er . . . er tut das alles doch nur, um mir zu schaden. Lando . . . er hat ihn umgebracht. Wenn er nicht . . .«
    Marocia unterbrach sich, hielt sich den Mund zu.
    Eudoxia blieb sitzen und rieb sich mit beiden Händen das linke Bein. Ein leichter Schmerz zuckte um ihre Mundwinkel, als sie über den Oberschenkel fuhr. »Ist dir nie der Gedanke gekommen«, sagte sie halb abwesend, »dass Crescentius nur deine Anerkennung sucht? Wenn du ihm ins Gewissen redest . . .«
    »Er hat nie eines besessen«, sagte Marocia hart und fuhr herum. Ihre Augen fixierten Eudoxia, als sähen sie statt ihrer Crescentius vor sich. »Ebenso wenig ein Herz. Nicht einmal Verstand scheint er zu haben. Er hat gar nichts, er ist ein Anarchist, ein ewiger Umstürzler. Sein Vater hatte wenigstens noch ein Ziel, so fantastisch es auch war, aber Crescentius ist allein vom Willen besessen, Unglück über alle zu bringen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich ihn packen soll, und ich glaube, ich will es auch nicht.«
    Sie nahm ihren Stock auf und ging ein Stück davon. Dann fiel ihr ein, dass sie Eudoxia nicht einfach so zurücklassen durfte. Sie rief ihr zu, ihr zu folgen, aber Eudoxia klagte über ihr Bein und blinzelte merkwürdig mit dem linken Auge. So half Marocia ihr also auf und stützte sie auf dem Weg zum Kloster. Ihre Gedanken aber waren woanders. Nein, sagte sie zu sich selbst. Nicht noch einmal würde sie sich von Crescentius enttäuschen lassen. Sollte er sich und die Welt doch unglücklich machen, sie hatte ihr Möglichstes getan. Hier wurde sie gebraucht, von Eudoxia. Hier würde sie bleiben, und nichts brächte sie zurück in diese Stadt der Verräter. Nein, nein und nochmals nein.

    Marocia stand vor ihrem Bett in der kleinen Zelle und musterte das Gewand, das sie darauf ausgebreitet hatte. Im Licht der Morgensonne schimmerte es mal in goldenem, mal in bronzenem oder gar rötlichem Ton, ganz danach, wie man den Kopf hielt. Es war gewiss gewagt, manche würden sogar sagen, unklug, dieses Kleid anlässlich einer Krönung zu tragen, bei der die Monarchen im Mittelpunkt stehen sollten – auch im optischen. Doch für Marocia gab es ja schließlich nichts zu gewinnen und zu verlieren, und außerdem würde zumindest Theophanu es verstehen, ja vielleicht sogar amüsant finden. In vier Wochen würde ihre Enkelin in Mainz an der Seite Ottos II. zur heiligen römischen Kaiserin gekrönt werden, und da wollte Marocia ein letztes Mal zeigen, dass sie zwar alt, aber keineswegs demütig geworden war.
    Ottonus Magnus,
Otto der Große, war tot. Marocia hatte nicht erfahren können, woran er letztendlich gestorben war, aber es grenzte für sie an ein Wunder, dass er überhaupt die sechzig erreicht hatte, so angeschlagen, wie er stets ausgesehen hatte. Seinen Beinamen aber verdiente er zu Recht. Er hinterließ ein mächtiges Reich, dem der Byzantiner nicht nur
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