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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Autoren: Eric Walz
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Begrüßung wagen durfte: Sie schmiegte sich kurz an ihre Schulter.
    »Großmutter«, sagte sie nur.
    »Mein liebes Kind«, erwiderte Marocia die Begrüßung mit einem innigen, forschenden Blick. »Ich habe schon so viel von dir gehört, aber ich merke gleich, dass ich bisher nichts über dich gewusst habe.« Tatsächlich hatte Marocia sich nach den Berichten Eudoxias ein ganz anderes Bild von ihrer Enkelin gemacht, das einer widerspenstigen, unverschämten Göre. Dabei hatte sie allerdings außer Acht gelassen, dass die Verfasserin der Berichte von eher schwerfälligem Gemüt war. Menschen wie Eudoxia mussten Selbstbewusstsein als Unverschämtheit empfinden, eine eigene Meinung als Halsstarrigkeit. Marocia jedoch spürte sofort, dass in Theophanu viel von ihr selbst steckte.
    »Wo ist deine Mutter?«, fragte Marocia hoffnungsfroh.
    Theophanu zeigte auf den Steg. Wie Blitze zuckten gleichzeitig Freude und Schreck durch Marocia. Auf einer von zwei Soldaten getragenen Sänfte saß Eudoxia, ihr Kind, dass sie in all den Jahren umso mehr geliebt hatte, weil es so weit entfernt lebte. Doch dieses Kind war schwer und bleich geworden. Die Beine waren angeschwollen, und durch die dick aufgetragene Schminke schimmerten dunkle Ränder um die Augen. Marocia brauchte nur einen einzigen Blick, um zu erkennen, dass Eudoxia nicht wegen der Hochzeit Theophanus in die Heimat zurückgekommen war – sie war gekommen, um hier zu sterben.
    Marocia beugte sich über die Sitzende und gab ihr je einen Kuss auf die Stirn, beide Wangen und den Mund. Dann sagte sie doppeldeutig: »Du darfst nicht wieder fortgehen, mein Kind. Du musst bleiben.«
    »Ihr gebt noch immer gerne Befehle«, erwiderte Eudoxia mit einem bitteren, schmerzerfüllten Lächeln. »Ihr habt Euch nicht geändert.«
    Marocia nickte. »Ich habe noch immer die gleiche Liebe in mir. Aber vielleicht drücke ich sie heute anders aus.«
    Eudoxia warf einen langen, forschenden Blick auf ihre Mutter, dann ergriff sie zu deren Freude ihre Hand. »Wohin werden wir gehen?«
    »Du kommst mit nach Fontana Liri«, sagte Marocia. »Dort werden die Schwestern dir eine Diät und viel Bewegung verordnen. Du wirst sehen, bald hast du zum Fortgehen keine Lust mehr.«

    »Vor dir siehst du das Geheimnis ewigen Lebens«, posaunte Marocia übertrieben feierlich und blickte dabei abwechselnd ihre Tochter und die unscheinbare Quelle des Flüsschens Liri an.
    »Gebirgswasser?«, fragte Eudoxia ungläubig.
    »Sprudeln«, korrigierte sie. »In Bewegung bleiben. Ein ständiger Quell für Ideen sein. Nur auf diese Weise konnte ich dreiundachtzig Jahre alt und dabei weder gebrechlich noch wahnsinnig werden.« Sie setzte sich auf einen großen, von der Sonne gewärmten Stein neben der Quelle nieder und klopfte mit der Hand auf einen Platz daneben. »Komm, setz dich zu mir, dann können wir reden.«
    Sie redeten seit Wochen miteinander, über Alberic, über Hugo, die Gefangenschaft in der Engelsburg, das Leben in Byzanz, über den schlimmen Abschied in Bari und die damaligen verworrenen Gefühle, von denen heute keines mehr eine Rolle spielte. Es war fast, als säßen zwei Frauen beieinander, die nichts mehr mit ihrem früheren Ich zu tun hatten und die doch – oder gerade deswegen – ihre Liebe entdeckten.
    Ihr jüngstes Thema war Theophanus Hochzeit in Rom, an der sie allerdings beide nicht teilgenommen hatten. Marocia war nicht eingeladen gewesen, und Eudoxias gesundheitlicher Zustand war damals noch nicht wesentlich besser. Doch das war nun anders. Ihre Tochter machte heute den ersten Ausflug mit ihr, nicht weit, kaum hundert Schritte, aber immerhin konnte sie wieder ohne Hilfe laufen.
    »Wenn deine Genesung weiter so schnell voranschreitet«, sagte Marocia nicht ohne stolzen Unterton, »dann kannst du deine Tochter und deinen Schwiegersohn schon bald im Reich besuchen.«
    »Wir«, korrigierte Eudoxia fast beleidigt. »Ohne Euch gehe ich nicht.«
    »Tja«, seufzte Marocia. »Jetzt, wo Liudprand gestorben ist – vielleicht. Die Nachricht kam gestern.«
    »Und? Habt Ihr schon Eure Haarnadel gezückt und den Baum malträtiert?«
    Marocia strahlte. Unfassbar, Eudoxia machte Scherze! Wann hatte es das je gegeben? Die Menschen änderten sich mit dem Alter. Hatte auch sie sich geändert? »Liudprand würde wohl selbst nicht wollen, dass er und meine Haarnadel irgendetwas miteinander zu schaffen bekommen. Also lasse ich es.«
    Sie lachten. Eudoxia blinzelte wie ein junges Mädchen in die Sonne und wippte mit
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