Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Autoren: Liaquat Ahamed
Vom Netzwerk:
schwierig zu wissen, wie ernst man ihn nehmen konnte.
    Es war vielleicht keine Überraschung, dass sich Norman den Ruf eines komischen Kauzes und eines Exzentrikers erwarb. Seine Bekannten in der City sahen in ihm einen seltsamen und einsamen Mann, der seine Abende allein in seinem riesigen Haus verbrachte, mit Hingabe Brahms hörte und oft den chinesischen Weisen Lao Tse zitierte. Er unternahm mit Sicherheit keine Versuche, sich der Clubatmosphäre der City anzupassen. Seine Interessen waren hauptsächlich ästhetischer und philosophischer Natur, und obwohl er einige Bankiers zu seinen engen Freunden zählte, umgab er sich doch lieber mit einem ausgewählten Zirkel von Künstlern und Designern.
    Am Donnerstag, dem 30. Juli, war klar, dass das, was wie eine weit entfernte Angelegenheit auf dem Balkan zwischen einem untergehenden Imperium und einem seiner kleineren Staaten ausgesehen hatte, zu einem allgemeinen europäischen Krieg eskalierte. Als Reaktion auf Österreichs Attacke gegen Serbien hatte Russland die allgemeine Mobilmachung befohlen. Die internationale politische Krise hatte eine Finanzkrise ausgelöst. Die Börsen in Berlin, Wien, Budapest, Brüssel und St. Petersburg mussten allesamt den Handel einstellen. Da sämtliche Börsen in Kontinentaleuropa mit Ausnahme von Paris geschlossen waren, konzentrierte sich die panische Liquidation der Wertpapiere auf London.
    Als Norman am Freitag, dem 31. Juli, in seinem Büro in der City, gleich nördlich neben der Bank of England eintraf, erfuhr er, dass die Finanzszene geschlossen gegen jede Einmischung Großbritanniens in einen Konflikt auf dem Kontinent war. David Lloyd George, der Finanzminister, erinnerte sich später, dass Walter Cunliffe, der Präsident der Bank of England, ein wortkarger Mann, der in der Regel nicht zu theatralischen Auftritten neigte, »mit Tränen in den Augen« plädierte: »Halten Sie uns da raus. Es wird unser Ruin sein, wenn wir uns da hineinziehen lassen.«
    London war die Finanzmetropole der Welt, und der Lebensunterhalt der City hing viel stärker von ausländischem Kapital ab als von der Finanzierung der einheimischen Industrie. Die Handelsbankiers in den Straßen rund um die Bank of England, dieser exklusive innere Zirkel vertrauter Namen wie Rothschild, Barings, Morgan Grenfell, Lazard, Hambros, Schroders, Kleinwort und Brown Shipley, überwachte die größte internationale Kreditoperation, die die Welt je gesehen hatte. Jedes Jahr wurden ausländische Anleihen im Volumen von einer Milliarde Dollar über Londoner Bankiers emittiert. Im Jahr zuvor hatten Barings und die Hongkong and Shanghai Bank gemeinsam einen Kredit von 125 Millionen Dollar an China organisiert. Hambros hatte eine Anleihe des Königreichs Dänemark an den Markt gebracht. Rothschild hatte eine Anleihe im Volumen von 50 Millionen Dollar für Brasilien garantiert und stand gerade in Verhandlungen für einen weiteren Kredit. Es hatte Anleihenemissionen Rumäniens sowie der Städte Stockholm, Montreal und Vancouver gegeben. Im April war Schroders sogar Konsortialführer bei einer 80-Millionen-Dollar-Emission der kaiserlich österreichischen Regierung gewesen; eines Landes also, mit dem sich Großbritannien vielleicht schon bald im Kriegszustand befinden würde. Alle diese Finanzierungen und die damit verbundenen Gewinne würden im Fall eines Krieges austrocknen.
    Ein akuteres Problem war die Schließung der Börsen in ganz Europa und das Risiko, dass Goldtransporte verhindert werden könnten, was zum Zusammenbruch des gesamten Goldstandards führen würde. Für Europäer war es nun schwierig, wenn nicht unmöglich, Geld ins Ausland zu schicken, und ihre Handelsbankiers, die für all dieses Papiergeld garantiert hatten, standen vor dem Bankrott.
    Die Bankiers waren nicht die Einzigen, die sich vor der Bedrohung der Weltfinanzordnung durch die Möglichkeit eines Krieges fürchteten. Selbst Außenminister Sir Edward Grey, der von allen Kabinettsmitgliedern am meisten auf die zweideutige »Verständigung« mit Frankreich gesetzt hatte und am stärksten zum Kampf entschlossen war, warnte den französischen Botschafter, dass »der bevorstehende Konflikt die Finanzen Europas durcheinanderbringen wird, dass Großbritannien vor einer beispiellosen ökonomischen und finanziellen Krise steht, und dass die britische Neutralität die einzige Möglichkeit sein könnte, den vollständigen Kollaps des europäischen Kreditwesens abzuwenden.«
    Um zehn Uhr am Freitagvormittag brachte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher