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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Autoren: Oliver P�tzsch
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Boden unter den Füßen wegzog, seine Kehle fühlte sich plötzlich ganz trocken an. »Mein Vater … Ist er …?«
    Lechner nickte. »Er ist tot, Simon. Euer Vater hat sich nicht versteckt, sondern ist zu den Kranken in die Häuser gegangen. Ihr könnt stolz auf ihn sein.«
    »Mein Gott«, flüsterte Simon. »Warum er? Warum nur er?«
    »Das allein weiß nur der liebe Herrgott. Es sind oft die tapfersten Ärzte, die als Erstes von uns gehen.«
    Hunderte Bilder und Gedanken prasselten plötzlich auf Simon ein. Er war im Streit von seinem Vater geschieden, jetzt würde er ihn nie mehr wiedersehen. Simon dachte zurück an die Zeit, als er ihn als kleiner Junge mit dem Kriegstross begleitet hatte. An die Jahre, als er noch bewundernd zu ihm aufgeschaut hatte. Ein angesehener Feldscher war Bonifaz Fronwieser damals gewesen, ein guter Arzt und Heiler, nicht der betrunkene, jähzornige Quacksalber, der er später in Schongau geworden war. Simon hoffte, dass er das frühere Bild seines Vaters in Erinnerung behielt. Offenbar hatte er kurz vor seinem Ende zu seiner alten Größe zurückgefunden.
    LangeZeit sprach keiner ein Wort, schließlich räusperte sich Johann Lechner.
    »Wir werden einen neuen Arzt in der Stadt brauchen«, sagte er. »Ich weiß, Simon, Ihr habt keinen Abschluss an einer Universität, aber das muss ja niemand wissen.«
    Simon zuckte zusammen. Trotz der Trauer, die ihn umfing, keimte ein Gefühl der Hoffnung in ihm auf. Hatte er richtig gehört? Machte Lechner ihm gerade das Angebot, der nächste Medicus der Stadt zu werden? Plötzlich spürte er, wie Magdalena neben ihm seine Hand drückte. Im nächsten Augenblick wusste er, was er zu tun hatte.
    Er umarmte die Henkerstochter und zog sie ganz nah an sich heran. »Danke für das Angebot, Exzellenz«, flüsterte er. »Doch nur, wenn Ihr auch die zukünftige Frau des neuen Arztes willkommen heißt. Magdalena kennt sich mit Kräutern aus wie keine Zweite. Sie wird mir mehr als eine Hilfe sein.«
    Johann Lechner runzelte die Stirn. »Eine Henkerstochter als Gattin des Medicus? Wie stellt Ihr Euch das vor?«
    »Ihr müsst ihn ja nicht einen Medicus nennen«, erwiderte Magdalena trotzig. »Wenn’s nur um den Titel geht, dann wird mein Simon eben …« Sie überlegte kurz, dann erhellte sich ihr Gesicht. »Dann wird er eben Bader.«
    Kurz herrschte eine Stille, in der man die Krähen auf den Dächern krächzen hören konnte.
    »Bader?« Simon starrte Magdalena ungläubig an. »Schmierige Holzwannen reinigen, Aderlass und Bartrasur? Ich glaub nicht, dass mir das liegt. Bader ist ein ehrloser Beruf, der …«
    »Eben, da passt du gleich viel besser zu mir«, unterbrach ihn die Henkerstochter. »Und das Rasieren nehm ich dir gerne ab, wenn’s dir gar so graust davor.«
    Johann Lechner wiegte bedächtig den Kopf. »Bader? Warumnicht? Eigentlich kein schlechter Gedanke. Wir haben zwar schon einen in der Stadt, aber der ist ein versoffener Hallodri, der sich wirklich nur aufs Schröpfen versteht. Ihr könntet genauso arbeiten wie als Medicus, das garantier ich Euch. Schließlich gibt’s in Schongau keinen Arzt, der Euch die Stellung streitig machen wird.« Er nickte zufrieden. »Bader. Das wäre tatsächlich eine Lösung.«
    »Und die Leut?«, warf Anna-Maria Kuisl ein. »Was werden die Leut sagen? Wenn ich an diesen Berchtholdt und das Haberfeldtreiben denke …« Sie schüttelte sich. »Noch so eine Nacht mag ich nicht erleben.«
    »Wegen dem Berchtholdt müsst ihr euch keine Sorgen mehr machen«, sagte Johann Lechner. »Den hat vor zwei Tagen die Pest geholt. Nicht mal seine Frau weint ihm eine Träne nach.« Der Schreiber zuckte mit den Schultern. »Sämtliche Johanniskrautsträußlein, Rosenkränze und Ave-Marias haben ihm am Ende nicht geholfen. Gestern Abend haben sie ihn in aller Eile auf dem Sebastiansfriedhof verscharrt. Friede seiner Seele.« Der Schreiber schlug ein flüchtiges Kreuz, dann streckte er die Hand aus. »Also abgemacht, Fronwieser? Bader auf Lebenszeit, und bei der Stadt setz ich mich für eine Heirat mit der Henkerstochter ein.«
    Simon zögerte nur kurz, dann schlug er ein. »Abgemacht.«
    »Einen Augenblick«, knurrte Jakob Kuisl. »Ihr glaubt doch nicht, dass ihr hier eine Hochzeit aushandeln könnt, ohne mich vorher um Erlaubnis zu fragen. Ich hab immer gesagt, dass der Steingadener Scharfrichter für die Magdalena eine gute Partie …«
    »Ach, red doch nicht so saublöd daher, Mannsbild!«, fuhr ihm Anna-Maria Kuisl
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