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Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder

Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder

Titel: Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder
Autoren: Anselm Gruen
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anzuschauen. In diesen Bildern steckt immer auch ein Aspekt, den wir durchaus berücksichtigen sollen. Im strafenden Gottesbild und in der eigenen Selbstbestrafungstendenz verbirgt sich ja das Wissen, dass ich nicht beliebig gegen mein Wesen und gegen die Natur leben kann. Wenn ich willkürlich lebe, gegen mein inneres Wesen und gegen die Strukturen der Welt, dann wird meine Seele revoltieren und dann wird die Welt zurückschlagen. Sie werden gegen mein unangemessenes Verhalten rebellieren. Wenn ich maßlos getrunken habe, dann bestraft mich mein Körper mit einem Kater, den ich nach dem Aufwachen aus dem Rausch spüre. Das Problem ist, dass wir diese inneren Zusammenhänge auf Gott projizieren und uns Gott als einen willkürlichen Richter vorstellen, der besondere Lust daran hat, uns zu bestrafen, wenn er uns bei einem Fehler ertappt hat. Indem wir lernen, uns selbst zu vergeben, ändert sich auch unser Gottesbild. Und indem wir etwa das Bild des barmherzigen Vaters, der den verlorenen Sohn in die Arme schließt (Lk 15,20), uns einbilden, wandelt sich unser Selbstbild. Wir werden fähig, uns selbst zu vergeben.
     
    Dem strafenden Gottesbild ähnlich ist das Bild des kontrollierenden Gottes. Dieses Bild haben heute viele Menschen verinnerlicht. Es ist das Bild des »Großen Bruders«, das Georg Orwell in seinem Zukunftsroman »1984« beschrieben hat. Der Große Bruder sieht und kontrolliert alles. Er möchte letztlich, dass wir nicht existieren. Dagegensetzt der christliche Glaube die Antwort der Freiheit. Gott ist dort, wo die Freiheit ist. Das hat der ehemalige Dissident aus Prag, der tschechische Priester und Intellektuelle Tomas Halik in seinem Vortrag in der Katholischen Akademie in Bayern eindrucksvoll beschrieben. Er unterscheidet den wahren Gott vom Großen Bruder: »Die Unterscheidung ist leicht und gleichzeitig auch wieder nicht, sie beruht auf Folgendem: Der Große Bruder ist ein Parasit, er saugt das Blut unserer Freiheit, ist ein Vampir der Freiheit, der wahre Gott aber der Freiheit Fels, ihr Leben, ihr Blut.« (Zur Debatte 7   /   2010, 5) Aber die Einsicht allein befreit uns nicht von dem Bild des kontrollierenden Gottes, der dem Bild des Großen Bruders entspricht. Es braucht eine innere Auseinandersetzung und einen Übungsweg, um sich von diesen krankmachenden Gottesbildern zu verabschieden.
     
    In manchen christlichen Kreisen ist es üblich, ständig vom Ende der Welt zu reden. Manche Christen interpretieren das letzte Buch der Bibel, das Buch der Offenbarung des Johannes, so, dass sie genau wissen, wann und wie die Welt zu Ende geht. Sie reden von Katastrophen, vom nächsten Weltkrieg, von der atomaren Katastrophe, die alles zugrunde richtet. Natürlich hat keiner von uns die Gewissheit, dass unsere Welt lange gut weiter besteht. Aber oft ist das Reden vom Ende der Welt Ausdruck einer Seele, die mit sich und ihren Möglichkeiten zu Ende ist, die keine Hoffnung mehr hat auf eine gute Zukunft. Die Seele solcher Menschen ist in einem katastrophalen Zustand. Sie projizieren die innere Katastrophe, dass ihr Leben ihnen aus der Hand geglitten ist, nach außen, in eine äußere Katastrophe.Anstatt sich auf Diskussionen über mögliche Schreckensszenarien zu ergehen, wäre es heilsamer, den Schrecken in der eigenen Seele anzuschauen und ihn zu bearbeiten. Dann werden Bilder sichtbar, die sich in die Seele oft schon in der frühen Kindheit eingeprägt haben, Bilder, die erschrecken, die Angst machen, die überfordern – von denen man sich aber befreien kann.
     
    ÜBUNG:
Welche Gottesbilder hatte ich in meinem Leben? Wie habe ich Gott als Kind erfahren oder welche Bilder und Gefühle habe ich mit Gott verbunden? Welches Selbstbild entsprach in meiner Kindheit diesem Gottesbild? Dann gehe dein Leben durch und beobachte dich, wie sich die Gottesbilder in dir gewandelt haben: in der Pubertät, als junger Erwachsener, in der Lebensmitte, und in deinem jetzigen Lebensalter. Und dann schaue in dich selbst hinein und überlege, welche Selbstbilder diesen Gottesbildern entsprechen. Welches Gottesbild entspricht heute deinem Selbstverständnis und deinem Verständnis von Glauben? Prüfe dich, ob dein bewusstes Gottesbild auch mit dem unbewussten übereinstimmt oder ob da trotz aller theologischen Einsicht immer noch alte Gottesbilder in dir nachwirken. Und dann halte dich und deine Wahrheit, die jenseits all deiner Selbstbilder ist, in das unbegreifliche und unbeschreibliche Geheimnis Gottes hinein, in seine
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