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Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder

Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder

Titel: Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder
Autoren: Anselm Gruen
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verabschieden, seine Fähigkeiten und seine Grenzen dankbar anzunehmen und sich ein angemessenes Bild von sich zu machen.
     
    Ein anderer junger Mann war im Gymnasium immer ein Überflieger. Er musste gar nicht viel lernen. Trotzdem machte er glänzende Prüfungen. Er schloss das Abitur als Klassenbester ab. Doch beim Studium fiel er durch eine Prüfung. Das hat sein Selbstbild so zerstört, dass er nicht mehr mit seinem Leben zurecht kam. Er musste schmerzlich erkennen, dass ihm nicht mehr alle Türen offen standen und die Leute nur auf ihn warteten. So sah er keinen anderen Ausweg als den Suizid. Es tut weh, sich von alten Bildern zu verabschieden und realistische Bilder von sich zu entwickeln. Aber wenn wir nicht bereit sind, uns von übertriebenen Bildern zu lösen, werden wir scheitern. Denn wir werden wohl nie eine völlige Übereinstimmung zwischen idealem Bild und wirklichem Leben erreichen.
     
    In einem Artikel über »Die Tiefstaplerinnen« erzählt Birgit Schönberger, wie sich manche Frauen das Leben schwer machen, weil sie in sich negative Bilder tragen. Sie berichtet von einer Professorin, die glänzende Vorlesungen hält und bei den Studenten gut ankommt. Doch in ihrem Kopf spielt sich ein Drama ab. Da denkt sie ständig: »Was fällt mir ein, Studenten zu unterrichten? Ich tue doch bloß so, als ob«. (Schönberger, Psychologie heute 2011   /   1, 33) Sie hat ständig Angst, als Schwindlerin entlarvt zu werden. Die Psychologen nennen dieses Phänomen »Hochstaplersyndrom«. Da sind Frauen hochbegabtund bringen eine sehr gute Leistung. Aber in ihrem Kopf sind Bilder, die alles, was sie tun, entwerten. Da tauchen Bilder auf wie: Du bist eine Betrügerin, eine Versagerin. Du machst den Leuten doch nur etwas vor. Solche inneren Bilder kosten viel Energie. Und sie nehmen der Frau die Freude an dem, was sie tut. Die Professorin, die mit summa cum laude promoviert hat, sackt nach der Vorlesung, wenn sie wieder allein im Büro ist, »in sich zusammen, vollkommen erschöpft, weil alle Energie ins Verstecken geflossen ist. Niemand soll merken, dass sich hinter der souveränen Fassade eine unsichere Frau verbirgt, die darauf wartet, als Schwindlerin entlarvt zu werden«.

Schädigende Bilder erkennen und verwandeln
     
     
    Die Bilder, die wir in uns tragen, haben sich langsam in uns eingeprägt durch die vielen Worte und Botschaften, die wir von den Eltern und von unserer Umgebung bekommen haben. Um diese tief in unserer Seele verankerten Bilder wieder aufzulösen, braucht es Geduld. Denn wir sind mit diesen Bildern so zusammen gewachsen, dass wir uns schwer tun, uns von ihnen zu verabschieden. Ja, viele tun sich schon schwer, diese Bilder überhaupt in ihrer krankmachenden Wirkung zu erkennen. Manchmal war es auch nur ein Wort, das sich uns tief eingeprägt hat.Eine junge Frau erzählte mir, dass die Mutter einmal zu ihr in ihrer Erregung gesagt hat: »Du warst gar nicht gewollt. Ich hätte es leichter, wenn du nicht gekommen wärest.« Der Mutter hat dieses Wort später leid getan. Aber es war ausgesprochen. Und so hat es sich in die Frau tief eingeprägt. Bei vielen Gelegenheiten kam dieses Wort in ihr wieder hoch. Und das Leben bestätigte ihr ständig dieses Bild »Ich bin nicht gewollt«.
     
    Walter Kohl, der Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, erzählt in seinem Bericht über sein Leben zwei prägende Situationen, die sich in ihm als innere Bilder eingeprägt haben. Da war einmal die Einschulung am ersten Schultag, als alle Kinder ihn mit musternden und ablehnenden Blicken anstarrten. Er spürte langsam, dass die Ablehnung nicht ihm, sondern seinem Vater galt. Diese Erfahrung erschwerte es ihm, seine eigene Identität zu finden. Die Reaktion der Menschen galt nie ihm selbst, sondern immer dem »Sohn vom Kohl«. Die andere Erfahrung, die sich tief in ihn eingeprägt hat, war die Reaktion des Vaters auf seine Erzählungen von den Schikanen der Mitschüler: »Du musst stehen!« (Kohl 31) Er spürte, dass er nicht auf den Beistand des Vaters rechnen konnte, sondern allein stand gegen die Angriffe von außen. Er schreibt zu der Wirkung dieses Satzes: »Du musst stehen, das ist so ein Satz, mit dem ein Elternteil seine pädagogischen Maximen dem eigenen Nachwuchs in unmissverständlicher Weise mitteilt. Ein Satz, der so tief ins Gemüt sinkt, dass er dort seine verborgene Wirkung entfaltet, auch wenn der heranwachsende Mensch ihn längst vergessen zu haben scheint. Ein Satz, der einem wieder
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