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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme
Autoren: Cantz Kerstin
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sich seine ineinander verschränkten Hände. »Meine Herren«, sagte er, »ich hoffe sehr, dass Ihnen die Prüfung dieser Schülerin einen Eindruck geben konnte, welches Wissen einer von Ärzten ausgebildeten Hebamme zukünftig vermittelt und abverlangt werden wird.« Er deutete eine Verneigung an und vollzog eine leichte Drehung des Oberkörpers. »Und da ich vor dem geschätzten Collegium keinesfalls in den Verdacht einer Begünstigung des Prüflings zum Zwecke einer gefälligen Vorführung geraten möchte …«, sein Profil zeigte ein Lächeln, »... will ich Sie ermuntern, meine Herren, ebenfalls Fragen an sie zu richten.«
    Gesa sah zu den Sitzreihen, wo sie Gelegenheit hatte, einigen abschätzenden Blicken zu begegnen.
    »Nun«, sagte schließlich einer der Herren, »wollen wir sehen, ob sie vertraut ist mit der Hebammen-Ordnung. Was sagt diese etwa über den Umgang mit Arzneien?«
    »Dass diese einer Hebamme vor, während oder nach der Geburt zu verordnen oder auch nur anzuraten, unter Strafe verboten seien.«
    »Und des Weiteren?«
    »Und des Weiteren soll sich die Hebamme ebenso der Anwendung von so genannten Hausmitteln gänzlich enthalten.«
    »Aber muss nicht eine Hebamme die Krankheiten der Schwangeren, der Kindbetterinnen und ihrer Kinder etwas angehen?«
    »Sie darf nur aufmerksam sein. Über kränkliche Zufälle und Umstände muss sie einem Arzt Nachricht geben.«
    »Was also wird von einer Hebamme in widernatürlichen und schweren Geburtsfällen erfordert?«
    »Nichts, als sie beurteilen und unterscheiden zu wissen, damit sie die Gefahr für Mutter und Kind frühzeitig erkennen und einen Arzt zu Rate ziehen kann.«
    »Und was, wenn keiner in der Nähe ist?« Es war Doktor Clemens Heuser, der dies fragte und damit eine Unruhe auslöste. Er überging Kilians verdüsterte Miene, das angespannte Räuspern und fuhr fort: »Was, wenn ein ärztlicher Geburtshelfer, schickte man nach ihm, erst Stunden oder Tage später zu erwarten sei – wenn denn überhaupt einer zu finden wäre?«
    »Wenn Sie für einen solchen Zufall ein Beispiel geben wollten …«, sagte Gesa, während sie ihren Blick auf die äußerste Kante der Bankreihe heftete, wo seine Hände lagen, bewegungslos, »… damit ich …«
    »Damit Sie uns wissen lassen können, was Sie tun, wenn Sie auf sich gestellt sein werden?«
    »Nun also wird es sich, wie wir übereinkamen, Herr Kollege Heuser, für die Jungfer Langwasser anders ergeben, da wir sie doch in unserem Institut, nicht wahr, nach bestandener Prüfung zur Haushebamme machen möchten. Und dem sollte, so wie ich es sehe, nichts mehr im Wege stehen?«
    »Herr Professor Kilian.«
    Er drehte sich ihr zu, vielleicht verwundert, dass weder Stolz noch sichtbare Freude an ihr auszumachen war.
    »Ich muss Ihnen sagen, ich werde das Haus Am Grün verlassen.«
    Die Mitglieder des Collegium medicum hatten womöglich schon eine Weile den Eindruck, einem Bühnenstück zu folgen, dessen fragwürdiger Ausgang sie nun mit Spannung warten ließ. Die Anwesenheit der Männer, die er mit einer gänzlich anderen Absicht gewünscht hatte, zwang Kilian sich zu beherrschen.
    Mit einer einladenden Geste beendete er das Schweigen. »Doktor Heuser? Ich bitte Sie, Ihre Frage zu stellen – möglicherweise aus dem weiten Feld Ihrer Wahrnehmungen zu Geburtsverläufen bei engen Becken?«
    »In Gottes Namen«, sagte jemand von den Bankreihen, »meine Herren, lassen Sie es gut sein und diese Frau endlich ihren Eid ablegen. Ich würde meinen, sie ist vorerst die bestgeprüfte Hebamme der Stadt. Auch wenn sie es offenbar vorzieht, Marburg zu verlassen. Wo wird man sich denn Ihrer Präsenz erfreuen dürfen?«
    Nicht alle Herren lachten.
    Sie tauchte in sich zurück, ließ die Herren die Herren sein – hörte nichts als sich selbst. Wie sie begann, den Eid zu sprechen: »Ich, Gesa Langwasser, schwöre zu Gott dem Allmächtigen nachzuleben, was mir die Ordnung zuschreibt, schwöre zu tun und zu beachten, was meine Lehrer mich lehrten …« Nur mit sich war sie in diesem feierlichen Moment, der nach allem so erstaunlich schnell vorüber war.
     
    Kilian ließ eine zähe Zeit verstreichen, bis er sich bereitfand, ihre Papiere zu zeichnen – er hatte sich einer Geburt zu widmen, mit deren natürlichem Verlauf er sie nicht mehr behelligen wollte, wie er sagte. Des Weiteren enthielt er sich jeglicher Äußerung, wie auch Doktor Heuser es tat. Alles, was dem Professor noch blieb, war die Hebamme Langwasser mit Sprachlosigkeit zu
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