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Die Gruseltour von Schreckenstein

Die Gruseltour von Schreckenstein

Titel: Die Gruseltour von Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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Leitung von Dampfwalze. Auch verlorene, beziehungsweise gefundene Gegenstände zählte er auf und fragte, wer etwas darüber wisse. Anschließend läutete der Rex. Die Mahlzeit war beendet. Wie auf einen Startschuß setzte das Gerede wieder ein, unterstrichen von Stuhlrücken.
    „Wie viele Eier hast du verdrückt?“ wollte der kleine Herbert von Ottokar wissen, weil der zur Zeit den Eierrekord hielt. „lch glaub sechs“, antwortete der Schulkapitän und fügte, als der Miniritter ein enttäuschtes Gesicht zog, noch hinzu: „Ich muß jetzt zum Arzt. Da kann ich nicht mit vollem Wanst antanzen.“
    Auf dem Weg über die kleine Treppe zu seinem Zimmer im Nordflügel trat Mücke in die Telefonzelle. Andi und Klaus stellten sich davor, um Mithörer abzuwimmeln. Schalldicht war der Kasten nämlich nicht, und was sie vorhatten, sollte eine Überraschung werden. Kaum drin, kam Mücke wieder heraus. „Der ist nicht da, der Unzuverläßling!“ schimpfte er.
    „Vielleicht ist er zu ihr rausgefahren?“ vermutete Klaus.
„Und ruft uns an, wenn er sie gefragt hat, spann Andi den Gedanken weiter. In diesem Augenblick läutete das Telefon. Mücke flitzte hinein, nahm den Hörer ans Ohr und ließ ihn enttäuscht sinken. „Beatrix!“
„Stephan!“ brüllte Klaus um die Ecke in den Südflügel. Er hatte ihn gerade vorbeigehen sehen. „Du wirst aus Rosenfels verlangt. Ich glaub, die Horn ist es.“
„Gehen wir“, sagte Andi. „Das dauert jetzt.“
    Kamen sie mit ihrer eigenen Überraschung nicht weiter, sollten sie doch eine andere erleben. Nach Sportplatzpflege und Arbeitsstunde gongte der kleine Egon zum Abendessen. Heißhungrig stürzten sich die Ritter auf die Dampfnudeln mit Vanillesoße. Hier stand der Rekord bei zwanzig Stück. Während der Essenszeit verdrückt, wohlbemerkt, nicht über den ganzen Tag verteilt.
    „Ende!“ japste Pummel nach der zwölften.
    Sein Freund Eugen legte nach zehn die Gabel weg. Ihn schmerzte der Fuß, den er sich beim 1500-mLauf verknackst hatte. Ottokar versagte völlig. Er schaffte gar nur drei.
    „Nanu, liegt dir der Arzt im Magen?“ wunderte sich Eugen.
    Der Schulkapitän schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung. Er hat zwar erst gemeint, daß mir irgendwas aufs Herz drückt. Aber das waren nur die sechs Eier in Senfsoße. Und die fünf Kartoffeln.“ Dampfwalze warf die Serviette bei der neunten. Beni bei der siebten. Strehlau, Hans-Jürgen, Werner, Walter, Fritz, Emil und der vorsichtige Dieter brachten es nur auf sechs.
    „Ich weiß nicht, sagte Mücke nach der vierten zu Andi, der gerade an Nummer fünf kaute. Irgendwas liegt in der Luft. Der Siegesstreß ist es nicht, eher ein Appetitzügler.“ Weitere Kommentare zu den schwachen Leistungen unterband der Rex mit dem silbernen Glöckchen.
    Stumm vor sich hin stierend mampften die Ritter weiter. Ansagen des Schulkapitäns gab es abends nur, wenn eine Änderung im Unterrichtsplan für den nächsten Morgen bekanntzugeben war, oder ein wichtiges, die Gemeinschaft betreffendes Ereignis eine sofortige Schulversammlung erforderlich machte. Letzteres stand zu erwarten, wenn Ottokar, wie jetzt, ohne Notizzettel zum Schwarzen Brett ging. Obwohl sie sich nicht durch Worte verständigen konnten, reckten die Ritter gespannt die Hälse. Was war geschehen?
    Ottokar läutete mit der Kuhglocke. Doch statt des erwarteten Satzes „Gleich nach Tisch ist Schulversammlung im Wohnzimmer!“ sagte er: „Ich habe euch etwas mitzuteilen. In eigener Sache. Ich habe euch belogen!“
    Sofort stoppten sämtliche Kaubewegungen. Das war ungeheuerlich. Das konnten die Ritter nicht stumm verkraften. Raunen wurde laut im Saal, es klang gequält, als sei auf Schreckenstein eine Welt zusammengebrochen. Ausgerechnet der Schulkapitän sollte die oberste Ritterregel gebrochen haben, die da lautet:

 

    Ausgerechnet Ottokar, der gerade dabei war, eine andere Ritterregel zu erfüllen, indem er öffentlich für seine Tat einstand, denn er fuhr fort: „Ja, ich habe euch getäuscht. Ich weiß selbst nicht, wie es dazu kam. Drum hab ich’s auch nicht gleich gesagt. Ich mußte mir erst selber klarwerden über mein Verhalten. Ich habe bei der Staffel Herzstechen gespürt — das stimmt — , aber nicht so, daß ich nicht die zwanzig Meter hätte weiterlaufen können, um den Sieg für uns zu retten. Doch ich hatte plötzlich keine Lust mehr, der ganze Kampf kam mir so sinnlos vor, so dumm. Immer diese Gegnerschaft zu den Neustädter Schulen, immer diese Auflage,
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