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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Ingrid Hedström
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im Pfarrhof verbracht, und als er gerade angefangenhatte, Heimweh nach Geschwistern und Eltern und Freunden in Belgien zu bekommen, hatte seine Großmutter sich mit ihm an den großen Tisch in der Küche gesetzt und ihm ernst erklärt, daß entschieden worden sei, daß er das ganze Schuljahr in Granåker bleiben und in Hanaberget in die Schule gehen sollte. Er wußte immer noch nicht genau, warum, aber es hatte etwas mit einer langen USA-Reise, die seine Eltern gemacht hatten, und, das war sein Verdacht, einer Ehekrise zu tun, zu der sich keiner von beiden je bekennen wollte.
    Die erste Zeit in der neuen Schule war mühsam für Thomas gewesen, der von den Schulkameraden mit Mißtrauen betrachtet wurde, weil er im Pfarrhof wohnte, Ausländer war und ein akademisch geprägtes Uppsala-Schwedisch statt der breiten Dalarna-Mundart der Gegend sprach. Es war ihm komisch vorgekommen, das Schwedische, die Sprache der intimsten Gespräche zwischen ihm und seiner Mutter, von harten kleinen Jungen mit weißblonden Stoppelhaaren und Schürfwunden an den Knien gesprochen zu hören. Er hatte schon da begriffen, daß er besser darauf verzichtete, das liebe Fräulein Persson zu korrigieren, wenn sie beim Aufrufen seinen Namen »Thomas Häger« aussprach.
    Zwei Dinge hatten die Situation verbessert. Erstens stellte sich heraus, daß Thomas der Beste der Schule im Hochsprung und ein akzeptabler Fußballspieler war, und zweitens gelang es ihm schnell, sich den richtigen Dialekt zuzulegen.
    Und daß er das getan hatte, war zum großen Teil Birgitta Janols’ Verdienst. Sie war damals fünfzehn gewesen, gerade nach der achten Klasse abgegangen und hatte für vier Stunden am Tag einen Job als Haushaltshilfe im Pfarrhof bekommen. Für Thomas war sie ein Ersatz für die Schwesterngeworden, die er vermißte, ein fröhliches Mädchen mit einem unerschöpflichen Vorrat an lokalen Gespenstergeschichten und einem absoluten Mangel an Respekt vor Autoritäten. Sie hatte keine Sekunde gezögert, den Bischof zurechtzuweisen, wenn die Situation es verlangte – »Aber Aron, jetzt bist du wieder mit den Galoschen an den Füßen reingegangen, was denkst du eigentlich?« Und der Bischof hatte schuldbewußt zu den nassen Fußspuren auf dem hellen Knüpfteppich geschielt und entschuldigend gemurmelt: »Ja, aber die kleine Birgitta versteht, ich war so in Gedanken.«
    – So was, daß du hier bist, sagte Birgitta, das ist wirklich eine Überraschung. Ich hatte gedacht, daß deine Mutter vielleicht kommen würde, jetzt, wo es Greta schlechter geht.«
    – Mama ist in Japan, antwortete Thomas auf die unausgesprochene Frage. Sie arbeitet an einem Wandgemälde für ein neues Universitätsgebäude. Sie würde mehrere Tage brauchen, um hierherzukommen, deshalb fanden wir es besser, daß ich fahre. Du möchtest sicher Kaffee? Ich bin gestern abend gekommen, deshalb weiß ich nicht genau, was ich anbieten kann, aber es gibt sicher etwas im Brotkasten oder im Gefrierschrank.
    Birgitta zögerte.
    – Ich habe nicht soviel Zeit, sagte sie, ich bin eigentlich gekommen, um ein paar Worte mit Greta zu wechseln. Wie geht es ihr, ich habe gehört, es geht ihr schlechter?
    – Sie ist schwach, sagte Thomas, es sieht so aus, als wäre sie dabei zu verschwinden. Sie ist gerade eingeschlafen, aber sie schläft nie sehr lange. Laß uns eine Tasse Kaffee trinken, vielleicht wacht sie auf, bevor du gehst.
    – Also eine schnelle Tasse, sagte Birgitta, dann können wir auch ein bißchen reden.
    Sie gingen in die Küche, und Birgitta ließ sich auf dem dalarnablauen Küchensofa nieder, während Thomas Kaffee aufsetzte und aus dem Brotkasten ein paar Wecken nahm.
    – Erzähl jetzt, sagte Thomas, nachdem er Kaffee eingeschenkt hatte, was machst du zur Zeit?
    – Ich bin Kommunalrat in Hammarås, sagte Birgitta und schielte mit einer Miene zu Thomas, die ihm sagte, daß sie irgendeine Reaktion erwartete, sich das aber nicht direkt anmerken lassen wollte.
    Das Problem war, daß »Kommunalrat« ein Wort war, das ihm nichts sagte, was mit zusammengesetzten Wörtern im heutigen Schwedisch oft vorkam. Hammarås war die Stadt mit Hüttenindustrie, die zwanzig Kilometer südlich von Hanaberget lag. Birgitta war vielleicht eine Art Beraterin der Kommunalverwaltung dort, ungefähr wie Jean-Pierre Santini zu Hause in Villette, dachte er unsicher.
    Noch einmal sah Birgitta seine Verwirrung.
    – Bürgermeister, sagte sie, ich nehme an, ihr habt Bürgermeister da unten, wo du wohnst, aber hier
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