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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Ingrid Hedström
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nennen wir das Kommunalrat.
    – Oj, sagte Thomas, wirklich beeindruckt, gratuliere, Birgitta! Bist du das schon lange?
    – Bald drei Jahre, sagte Birgitta. Der alte Kommunalrat ist kurz nach der vorigen Wahl Knall auf Fall gestorben, und die Kollegen, die übernehmen wollten, haben sich gewissermaßen gegenseitig ausgeschaltet, und da bin ich eine Art Kompromißkandidat geworden. Aber es ist gutgegangen, wir haben bei der Kommunalwahl letzten Sonntag siebenundsechzig Prozent der Stimmen bekommen, das ist das beste Ergebnis seit dem Krieg.
    Sie lächelte ihn an, ein Lächeln, in dem berechtigter Stolz die falsche bescheidene Attitüde durchbrach, über diesich Thomas bei Leuten hier in der Gegend, wo es Brauch und Sitte war, sich nicht zu überheben, oft geärgert hatte. Zum ersten Mal nahm er ihre ganze Erscheinung auf. Sie trug eine schwarze lange Hose und eine gerade geschnittene Jerseytunika mit Rollkragen in gedeckten Farben. An den Ohrläppchen baumelten kleine Frauenzeichen aus Silber, und neben ihr auf dem Sofa lag eine dreiviertellange lila Wildlederjacke mit so etwas wie Applikationen. Seine Schwester Sophie hätte sicher eine Totalanalyse von Birgitta Matsson vornehmen können, allein durch den Blick auf die Kleider. Aber Sophie kannte Birgitta ja auch. Hatten sie nicht sogar eine Weile die Wohnung geteilt, als Sophie in den Siebzigern ein paar Jahre Mitglied einer freien Theatergruppe gewesen war und in Hammarås gewohnt hatte?
    – Jetzt bin ich noch mehr beeindruckt, sagte er. Es war wohl nicht so leicht, eine Industriekommune wie Hammarås in Krisenjahren wie diesen hier zu regieren?
    Birgitta guckte auf den Tisch und rührte den Kaffee um. Als sie wieder aufsah, waren die Linien um ihren Mund sichtbarer, und die grünblauen Augen hatten sich verfinstert.
    – Nein, sagte sie, es war kein Zuckerschlecken, in den letzten Jahren Kommunalrat in einer Grubenortschaft zu sein. Gott sei Dank bekommen wir jetzt ja einen Regierungswechsel, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, wieviel das helfen wird. Die Grube hat vorige Woche dichtgemacht, die allerletzte Grube in Bergslagen, und dem Eisenwerk geht es seit mehreren Jahren schlecht. Ich habe vielleicht eine Ersatzaufgabe für Hanaberget, aber die Verhandlungen sind nicht abgeschlossen, und was die Hamra-Hütte angeht …
    Sie beendete den Satz nicht und saß eine Weile mit nachdenklicher Miene da.
    – Ach ja, Thomas, sagte sie schließlich, du wohnst doch in Villette, oder? Was weißt du über Stéphane Berger?
    Thomas wunderte sich. Stéphane Berger war ein umstrittener französischer Geschäftsmann, der vor zwei Jahren einen Teil von Forvil, dem krisengeschüttelten Stahlunternehmen in Villette, gekauft hatte, um es in eigener Regie weiterzuführen.
    – Berger, sagte er, ich weiß nichts Genaues über ihn, nicht mehr, als alle anderen wissen.
    – Und das wäre, sagte Birgitta, es ist sicher mehr, als wir hier oben wissen. Erzähl, sei so gut!
    – Er ist Geschäftsmann, sagte Thomas, ist reich geworden, indem er Unternehmen mit Problemen gekauft und sie nach einer Weile weiterverkauft hat, an eine Fahrradfabrik erinnere ich mich und an einen Schuhhersteller, unter anderem. Davor war er mäßig bekannt als B-Schauspieler, er hatte eine Rolle in einer französischen Polizeiserie, die Ende der Sechziger äußerst populär war, »Die Bullen von Saint-Tropez«. Ja, und hin und wieder hört man, daß er politische Ambitionen hat und der französischen Regierung nahesteht. Gleichzeitig geht das Gerücht, daß er an der Riviera Kontakte zu Kriminellen pflegt. Viele lieben ihn, mindestens ebenso viele hassen ihn.
    – Wo kommt er her? fragte Birgitta.
    – Marseille, glaube ich, sagte Thomas, auf jeden Fall hat er seine Karriere in Südfrankreich begonnen.
    Er erinnerte sich nostalgisch an »Die Bullen von Saint-Tropez«, eine Serie, für die er lächerlich geschwärmt hatte, als er dreizehn, vierzehn gewesen war. Jede Folge enthielt mindestens eine Wettfahrt zwischen Rennbooten und mindestens eine Autojagd auf lebensgefährlichen Bergstraßen oberhalb des Mittelmeers sowie mindestens fünf schöneMädchen im Bikini, die ausgestreckt auf Bootsdecks lagen oder sich am Strand räkelten. Stéphane Berger hatte in unten ausgestellten Hosen, engen Hemden und mit gewaltigen Koteletten den Herzensbrecher Inspektor Bruno gespielt. Gott, was für ein Schund war das gewesen!
    – Und er hat das Feinwalzwerk von Forvil in Villette gekauft, fuhr Birgitta fort, hast du was
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