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Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche
Autoren: Hannes Jaenicke
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Doch von alledem ist selbstverständlich keine Rede, wenn die Kunststofflobby ihre »ressourcenschonenden und kompostierbaren«
Einwegprodukte anpreist – am lautesten und schillerndsten natürlich dort, wo der potenzielle Absatz am größten ist. Und dazu gehören fraglos die Vereine der Fußballbundesliga. Allen voran Branchenprimus FC Bayern München, der das Mehrwegsystem in der Allianz-Arena prompt wieder abschaffte. Nun trinken die bis zu 70.000 Zuschauer je Veranstaltung also wieder aus Einwegbechern. Ex und hopp. Allein bei 15 Fußballspielen mit je 40.000 Zuschauern und einem Verbrauch von 1,5 Bechern (à 0,5 l) je Person kommt man auf einen unfassbaren Plastikmüllhaufen von knapp eine Million Bechern. Und das Saison für Saison. Stadion für Stadion. Die Strategie der Bioplastik-Industrie ist also voll aufgegangen. Günstige Wegwerfartikel mit grüner Weste. Wie verwaschen diese grüne Weste tatsächlich ist, haben die Deutsche Umwelt Hilfe (DUH) und das Bundesumweltamt unisono festgestellt. Von wegen »ressourcenschonend und kompostierbar«. Schließlich wird auch jeder Bioplastikbecher aufwendig hergestellt, nur um nach einmaligem Gebrauch wieder aufwendig entsorgt zu werden ... Hingegen wird jeder Mehrwegbecher in einem Fußballstadion mehr als einhundertmal wiederverwendet. Damit ließen sich laut DUH pro Saison der ersten und zweiten Bundesliga bis zu 17 Millionen Einwegbecher einsparen und deren CO 2 -Emissionen halbieren.
    »Wenn umweltfreundliche Mehrwegvarianten durch grüngewaschene Einwegsysteme verdrängt werden, ist das besonders schmerzhaft«, sagt DUH-Abfallexperte Thomas Fischer. 4 Denn was die »Kompostierbarkeit« (European Bioplastics) und das »hohe Recyclingpotenzial« (WWF) von Biokunststoff anbelangt, so handelt es sich bei diesen beiden wohlklingenden Argumenten um nichts anderes als um lupenreine Verbrauchertäuschung. Ob nun bewusst oder aus Unwissen, sei mal dahingestellt. Jedenfalls wird Bioplastik so gut wie nie recycelt oder kompostiert,
sondern ohne Umwege als normaler Restmüll verbrannt. Kreislaufwirtschaft? Fehlanzeige. Der PLA-Becher von Danone zum Beispiel wäre nur unter folgenden Idealbedingungen biologisch abbaubar: Zunächst müsste er in den herkömmlichen Bioabfall eingearbeitet werden, bis er es schön kuschelig warm hat. 60 bis 70 °C sollten es schon sein. Und wenn der anspruchsvolle Joghurtbecher aus Bioplastik dann noch mit extrem hoher Luftfeuchtigkeit verwöhnt wird, setzt der Kompostierungsprozess auch brav ein, bis nur noch Wasser und CO 2 übrig bleiben. Von Humussubstrat oder Nährstoffen übrigens keine Spur. Solche Idealbedingungen findet unser Bioplastikbecher aber weder im Stadtwald noch beim Kompostierer vor. Sprich, bis sich der Biokunststoff abgebaut hat, dauert es genauso lange, und das heißt sehr, sehr lange, wie bei einem Joghurtbecher aus Rohöl. Damit sind Einwegbecher aus Biokunststoff für jeden Hauskompost und jeden professionellen Kompostierer wertlos. Sie sind sogar unerwünscht. Denn im Gegensatz zu dem wählerischen Bioplastik, zersetzt sich normaler Bioabfall innerhalb von sechs Wochen. Deshalb müssen Biokunststoffe immer erst aufwendig aus dem Bioabfall herausgefischt werden, bevor dieser als Qualitätskompost auf den Markt gebracht werden darf.
    KONSUMENTEN-NAVI
    Bioplastik/PLA-Kunststoffe gehören nicht in die Braune Tonne.

    Also gut, dann eben – trotz angepriesener Kompostierbarkeit – nicht in die Braune Tonne mit dem zukunftsweisenden ACTIVIA-Becher. Sondern? Laut WWF und Danone erfolgt
die Entsorgung »wie bisher über den Gelben Sack«. Antwort des DUH-Abfallexperten: »Die Empfehlung der Hersteller, dieses Material in den Gelben Sack zu tun, kann man getrost in die Tonne kloppen.« Denn PLA wird von Infrarotscannern nicht als recycelbare Kunststofffraktion erkannt und für die Verbrennung aussortiert. Und gelangen doch mal PLA-Reste unter den herkömmlichen Kunststoff, löst sich das PLA bei der folgenden Heißwäsche auf. PLA ist eben nicht hitzebeständig und deshalb auch nur für Kaltgetränke oder -speisen wie ACTIVIA-Joghurt geeignet. Setzen sich diese gelösten Stoffe nun an das recycelfähige Material (Recyclat), wird es instabil und damit unbrauchbar. Um PLA zu recyceln, müsste es aber nicht nur sortenrein, sondern auch nach Herstellern sortiert werden. PLA ist nämlich nicht gleich PLA, weil jeder Hersteller andere Antistatika, Gleitmittel und Stabilisatoren beimischt. Eine solche Sortierung wäre folglich
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