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Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche
Autoren: Hannes Jaenicke
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Rentenlochs und der Überalterung unserer Gesellschaft zwar sinnvoll und verständlich, aber in Anbetracht der Geschäftspraktiken unserer Geldhäuser ziemlich riskant. Wie und wo sollen wir denn bitte schön vorsorgen, wenn die meisten Anlageprodukte nur dazu da sind, den Profit der Banken und die Boni der Bank(st)er sicherzustellen oder gar zu steigern? Politikern wie Gesetzgebern jedenfalls scheinen Willen oder Mittel zu fehlen, die Banken endlich zu regulieren und eine echte Bankenreform durch zu ziehen ...

    Kunde (K) hat 400.000 Euro auf seinem Sparbuch. Berater (B) hat K im Visier – und zu einem ganz unverbindlichen Gespräch in sein Büro eingeladen, »man hat sich ja schon viel zu lange nicht mehr gesehen« ... Nespresso-Kaffee, Schoko-Cookies, ein gediegenes Ambiente, entspannter Smalltalk über Wetter, Weib und WM. Irgendwann sagt B ganz beiläufig zu K:
    B: Ihnen ist wichtig, jederzeit an eine bestimmte Summe Ihres Geldes zu kommen?
    K: (nickt)
    B: Wie viel sollte es sein?
    K: Ungefähr 50.000 Euro!?
    B: Nehmen Sie doch 100.000 ... Und der Rest könnte langfristig und sicher angelegt werden.
    K: (nickt und nimmt sich noch ein Cookie)
    B: Und wenn Sie es jederzeit problemlos auf Ihre Kinder übertragen können, dann wäre das in Ordnung für Sie?
    K: (kaut, nickt, räuspert sich)
    B: ... und wenn Sie garantiert von guten Unternehmen acht Prozent bekämen? Wäre das auch okay für Sie?

    K: (leuchtende Augen)
    B: Wollen Sie wirklich darauf verzichten, weil Sie langfristig 400.000 Euro auf dem Sparbuch haben? Und ist es Ihnen wichtig, dass es nichts mit Börse und Aktienkursen zu tun hat?
    K: (nickt)
    B: Denn Sie sind ja jetzt siebzig und wollen bestimmt nicht mehr spekulieren, oder?
    K: (schüttelt den Kopf)
    B: Chinas Märkte boomen. Die wollen und müssen viel im- und exportieren. Riesige Warenflüsse. Wissen Sie, wie viel in einem Flugzeug transportiert werden kann?
    K: Ganz schön viel ...
    B: Aber wissen Sie auch, wie viel auf ein Containerschiff passt? 180 Flugzeugladungen. Mit einem Schiff. Und da könnte ich Ihnen jetzt helfen, daran zu partizipieren. Acht Prozent jährlich. Über 15 Jahre. Denn die Schiffe müssen ja immer fahren. Ist das interessant für Sie?
    K: Ja.
    B: (leuchtende Augen angesichts der 15 Prozent Provision) Noch einen Espresso, lieber K?
    Schließlich schiebt B den Vertrag inklusive Verkaufsprospekt über den Tisch mit den Worten: »Hier, das sind Ihre acht Prozent Ausschüttung. Hinten steht noch mal alles, was wir schon geklärt haben. Ich sag’ immer ›von Anwälten für Anwälte‹ ... Aber wenn Sie nicht schlafen können, lesen Sie sich ruhig alles durch. Ihr Geld ist jetzt jedenfalls ganz sicher angelegt. Und die Börsenkurse brauchen Sie überhaupt nicht mehr zu interessieren.«
    Und K denkt: ›Och, der ist ja so nett und so seriös. Typisch Postbank. Keiner dieser Provisionshaie ...‹

    Ungefähr so könnte ein Gespräch gelaufen sein.

    Doch was K nicht weiß: B ist selbstständiger Finanzvermittler, der sich die Provision mit der Postbank teilt. Hintergrund: Die Postbank ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Bank. Und die freien Vertriebler der Deutschen Bank (»mobiler Vertrieb«) umwarben die Postbank eines Tages, um an deren Privatkunden mit den hohen Sparbucheinlagen zu kommen. Daraufhin gründete die Postbank nur allzu gerne ihrerseits eine Vermögensberatung mit selbstständigen Handelsvertretern, um sie über eben diese Kunden »rüberzulassen«.
    Freudig erregt unterschreibt K den Vertrag. In diesem Moment ist er Mitreeder – mit allen Chancen und Risiken. Und die Postbank bzw. ihr Handelsvertreter mit einem Beratungsgespräch, zwei Nespresso-Kapseln und ein paar billigen Plätzchen um eine Provision von 45.000 Euro reicher.
    Jahrelang wurden potenzielle Anleger von der Bank ihres Vertrauens in Bussen zu den Werften gekarrt. »Hier wird gerade Ihr Schiff gebaut ... Sehen Sie, das ist es!« Eine persönliche Führung über die Werft, Canapees und Getränke, ein Vortrag, noch mehr Essen und noch mehr Getränke. »Das machen wir natürlich nur für unsere allerbesten Kunden. Diese Chance bekommt nicht jeder.« Und am Ende eines solchen Abends werden dreißig bis vierzig Verträge unterschrieben – und der frisch gebackene kleine Onassis fährt nach Hause in dem Glauben, ab jetzt an den sprudelnden Gewinnen beteiligt zu sein. Von Klippen oder gar Eisbergen keine Spur. »Das Risiko von Anlageprodukten«, so ein Berater der Commerzbank 7 , »wird
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