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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut
Autoren: Madeleine L'Engle
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Poren. Es fiel ihm schwer, die Erinnerung an die nächtliche Vision zu bewahren, Hoffnung und Zuversicht nicht zu verlieren. Aber die Botschaft der Sterne klang in ihm nach: bei der Ruhepause am frühen Nachmittag, bei Sonnenuntergang.
    Hammer. Holzklotz. Maßschnur.
    Noah achtete darauf, daß sie die ihm geweissagten Anweisungen peinlich befolgten.
    »Dieser El versteht etwas vom Schiffsbau«, stellte Dennys fest. »Die Maße, die er vorgegeben hat, stimmen in allen Proportionen mit unseren heutigen Erkenntnissen überein. Die Arche ist nicht gerade windschnittig, aber sie soll ja auch keine Wettfahrten gewinnen.«
    »Die vielen Tiere!« Sandy lachte. »Noah wird ganz schön Mist schaufeln müssen.«
    »Ich glaube, ein so großes Schiff haben die Leute hier noch nie gesehen. Falls sie überhaupt je eines gesehen haben.«
    Sandy suchte nach Yalith. Er fühlte sich Dennys gegenüber illoyal, aber das ließ sich nicht vermeiden. Dennys hatte Sandys Vorschlag, Yalith mit auf die Reise zu nehmen, rundweg abgelehnt.
    In der Morgenstille, kurz vor Sonnenaufgang, verbarg er sich bei den Zelten. Wartete. Sah sie, blaß, einem Gespenst gleich, aus der Wüste kommen.
    »Yalith!«
    Erschrocken blieb sie stehen.
    »Yalith, ich bin’s. Sandy.«
    »O, Zwilling Sand.« Sie atmete erleichtert auf. »Was gibt es?«
    Er faßte nach ihrer Hand. »Was wirst du tun, Yalith?«
    »Wann?«
    »Wenn die Flut kommt.«
    Yalith sprach sehr leise. »Wer weiß, ob sie kommt. Wir haben bisher nur Vaters Wort dafür.«
    »Und glaubst du, was er sagt?«
    Ihre Stimme war kaum noch zu hören. »Ja.«
    »Was also wirst du tun?«
    »Nichts. Der Kummer meiner Eltern ist groß. Mutter versteht nicht, warum mich El nicht mit den anderen in die Arche läßt.«
    »Das verstehe ich auch nicht«, gab Dennys zu.
    »Aber die Sterne sagen, ich solle keine Angst haben.«
    »Und du glaubst ihnen?«
    »Ja.«
    »So geht das nicht. Entweder dein Vater oder die Sterne irren.«
    »Ich vertraue meinem Vater. Und ich vertraue den Sternen. «
    »Das genügt nicht. Es muß etwas geschehen. Wir können nicht einfach dasitzen und dich ertrinken lassen. Möchtest du mit uns nach Hause kommen?«
    Sie schaute ihn überrascht an. »Wo ist eure Heimat? Auf der anderen Seite der Berge?«
    »Auf der anderen Seite der Zeit«, sagte Sandy.
    Ihre Finger suchten Halt in seiner Hand. »Du und der Den, ihr wollt gehen?« Sie gab die Antwort selbst. »Natürlich. Ihr müßt uns verlassen. Sobald die Arche fertig ist. Ehe der Regen fällt.«
    »Möchtest du mitkommen?«
    »Mit euch beiden?«
    »Mit… Mit uns, ja.« Am liebsten wäre er mit ihr allein bis ans Ende der Welt gegangen. Aber er wußte, daß es für ihn ohne Dennys kein Entrinnen gab.
    »Sind es viele Tagesreisen?«
    »Es dauert nicht einmal einen Augenblick.«
    »Ach, Zwilling Sand.« Sie seufzte, lang und tief. »Alles ist so seltsam und unbegreiflich. Seit eurer Ankunft hat sich vieles verändert. Ich will nicht sterben. Aber ich weiß auch nicht… Dort, wo ihr herkommt, ist es dort sehr anders?«
    »Sehr.« Sandy schluckte. Er versuchte sich Yalith in seiner Welt und seiner Zeit vorzustellen. »Aber du bliebest am Leben. Überlegst du deine Entscheidung noch?«
    Sie nickte ernst. »Das werde ich tun. Es fiele mir schwer ohne euch. Ohne euch beide.«
    Sandy schlüpfte ins Zelt zurück. Dennys lag wach und erwartete ihn bereits. »Wo warst du?«
    »Ich habe Yalith gefragt, ob sie mit uns kommen will.«
    Schweres, lastendes Schweigen. Endlich sagte Dennys: »Nein, Sandy. Nein, wir dürfen sie nicht mitnehmen.«
    »Wenn wir Yalith lieben, müssen wir es tun.«
    »Vielleicht löst sich alles von selbst.«
    »Vielleicht auch nicht. Jedenfalls müssen wir etwas unternehmen. «
    »Noch haben wir Zeit«, sagte Dennys. Von der Botschaft der Sterne sagte er nichts. Von ihrem tröstlichen Ratschlag, voll Geduld zu warten. Zu warten.
    Neumond. Dann füllte sich die Mondscheibe wieder. Schrumpfte und schwand. Wurde neu geboren.
    Noah sandte Japheth und O-holi-bamah aus, die Bewohner der Oase vor der bevorstehenden Flut zu warnen.
    »Wozu?« fragte Ham. »Jeder weiß, daß du das große Schiff baust. Jeder weiß, daß du zur Unzeit mit Regen rechnest.«
    Noah blieb hart. »Sie haben ein Recht, gewarnt zu werden. Sich vorzubereiten. Und – mag sein, falls sie bereuen, hält El vielleicht die großen Wasser zurück.«
    »Wenn es nicht regnet«, sagte Ham, »werden wir noch mehr zum Gespött als bisher.«
    Anah war bekümmert. »Ich glaube
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