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Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
Autoren: Jacques Berndorf
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Taxifahrer. Es war kühl, es regnete leicht, dazu wehte ein sanfter Wind.
    Der Taxifahrer benutzte die Lichthupe seines uralten Toyota. Müller stieg zu ihm in den Wagen.
    »Ich muss zu einer Villa im Palastbereich. Die Nummer ist sechzehn.«
    »Das ist Militär, das ist gar nicht gut«, kommentierte der Junge, und seine Stimme wurde augenblicklich ein wenig schrill.
    »Ja«, bestätigte Müller.
    »Aber die Villa ist tot. Wir sagen, die Villa ist tot, wenn die Leute alle weg sind. Kein Mensch weiß, wohin.« Der Junge lächelte verkrampft, als könne er so erreichen, dass Müller ein anderes Ziel nannte.
    »Ich muss trotzdem dorthin«, sagte Müller. »Er ist ein General, nicht wahr? Und was haltet ihr von ihm?«
    »Ja, ein General. Aber er ist ein Schwein, ein Schinder, ein Killer. Onkel Tobruk nennen wir ihn. Hat viele Leute hingehängt. Ich hoffe, er ist krepiert. Man sagt, die Familie ist nach Paris ausgeflogen worden. Eine große Familie, fünfzig Leute oder so. Mit einer riesigen Privatmaschine. Sie sagen, das Flugzeug war von einer großen Bank. Was willst du da, das ist doch auf jeden Fall sehr gefährlich?«
    »Ich muss herausfinden, wo dieser Mann ist. Das ist mein Auftrag, das kann ich nicht ändern, verstehst du?«
    »Ja, gut, gut. Ich fahre aber nicht auf das Gelände, ich bleibe draußen«, sagte der Junge bestimmt, als sei darüber nicht zu verhandeln.
    »Das ist okay. Aber du wartest?«
    »Ich warte.« Der Junge nickte. »Ich warte so, dass ich dich sehe, wenn du wieder herauskommst.«
    Er ist sehr nervös, er hat Angst, dachte Müller. »Hat man ihn gejagt, diesen General?«
    »Ja, klar. Hat man. Er ist wie eine Schlange, sie haben ihn nicht gekriegt. Sie hätten ihn auf der Stelle erschossen.«
    »Was glaubst du, wo ist dieser Mann?«
    »Keine Ahnung. Aber wenn jemand es erfährt, ist er tot, das steht fest. Er hatte viele Feinde. Sieh mal, da ist es schon. Du musst durch das Tor. Ich warte auf der anderen Straßen seite, hundert Meter weiter. Weißt du ungefähr, wie lange das dauert?«
    »Keine Ahnung. Soll ich dich schon bezahlen?«
    »Nein, brauchst du nicht. Ich warte.«
    Müller stieg aus. Er sah, wie der Junge eine kurze Strecke weiterfuhr und dann wendete. Die Straße war leer, kein Auto, kein Lieferwagen, kein Fußgänger, absolute Stille. Nur weit unten mitten auf der Straße ein Fernsehteam.
    Müller ging durch das Tor.
    Auf vereinzelten Grasinseln standen hohe Palmen, es gab schmale Kieswege und eine weit geschwungene asphaltierte Auffahrt. Müller wusste, dass der Abstand von der Straße zum Haus exakt einhundert Meter betrug.
    Das Haupthaus war zweigeschossig, sechzig Meter breit und über vierzig Meter tief. Der Arbeitsraum des Generals lag in der Westecke des ersten Geschosses nach hinten hinaus und war einhundert Quadratmeter groß. Die Fenster bestanden aus Sicherheitsglas, stark genug, um Gewehrfeuer zu widerstehen.
    Müller wusste das alles von einem Gebäudeplan, den Sowinski ihm in Berlin gezeigt hatte, und da er über ein präzises fotografisches Gedächtnis verfügte, konnte er alle diese Einzelheiten mühelos abrufen. Er vergaß nichts und würde es in einem Jahr noch wissen.
    Müller wusste auch, dass der große Raum im Erdgeschoss den offiziellen Treffen und Feiern vorbehalten war. Die Küche lag im Kellergeschoss auf der der Straße abgewandten Seite. Sie war groß genug, um für etwa einhundert Gäste kochen zu können. Die Schlafzimmer und privaten Räume der Familie befanden sich im ersten Stock, um den Arbeitsraum des Generals herum angeordnet. Die ständige Wache war in einem kleinen Haus an der rechten Seite des Gebäudes untergebracht, groß genug, um sechs Soldaten und einem Sergeanten Platz zu bieten. Spiegelgleich lag auf der linken Seite ein weiteres kleines Gebäude, das ausschließlich den Kindern vorbehalten war. Dort wurden sie auch von privaten Lehrern, die man aus Europa einfliegen ließ, unterrichtet.
    Gemessen an der Situation der libyschen Bevölkerung, war das alles von einem geradezu unanständigen Luxus. Nach Schätzungen des Dienstes in Berlin lag das angehäufte Vermögen der Familie bei etwa sechshundert Millionen Euro, denn der General stellte auch die Bewachungen für die Ölindustrie und war am Gewinn mit festen Margen beteiligt.
    »Quelle Sechs hat Spaß an Brutalitäten«, hatte Sowinski erklärt. »Wir nehmen an, dass die Terrorverdächtigen, die die USA zu Verhören ins Gaddafi-Land fliegen ließen, der Folter unterzogen wurden, die
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