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Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
Autoren: Jacques Berndorf
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ungewöhnlicher ist, dass sie persönlich in Tirana auftauchte, die Ware bar bezahlte und sich darüber informierte, wie der Stoff an den Käufer gelangt. Sie tauchte also direkt am zweiten Zwischenlager auf, um sich nach Einzelheiten zu erkundigen.
    Ich erwähnte bereits, dass diese Frau eintausend Kilogramm C4 kaufte und bar in US -Dollar bezahlte. Im Grunde ist das ein für Truud äußerst ungewöhnliches, ja unmögliches Geschäft, denn er verkauft sein C4 niemals an eine ihm unbekannte Person oder Adresse. Die Frau muss ihm also zumindest durch zuverlässige Dritte empfohlen worden sein.
    Das allein reicht jedoch nicht: Er muss auch sicher sein, dass die Frau den Mund hält und dass der Kauf des C4 kein Scheinkauf durch irgendwelche ermittelnden Behörden ist.
    Während meines siebentägigen Aufenthalts in Tirana war die Frau an den ersten drei Tagen dort. Sie fiel mir sofort auf, weil sie eine unbeschreibliche Kälte ausstrahlt. Wie bekannt, ermuntern uns unsere Psychologen immer wieder dazu, während des Einsatzes auch Dinge wahrzunehmen und aufzuschreiben, die mit den sichtbaren Fakten nichts zu tun haben, sondern im emotionalen Bereich angesiedelt sind. Bei dieser Frau bekam ich das Frösteln.
    Auf den ersten Blick ist sie eine schlanke, zarte Person, bei genauerer Betrachtung relativiert sich das jedoch: Sie ist körperlich in bester Verfassung, strahlt Energie aus, bewegt sich langsam und selbstbewusst, hat aber offensichtlich nicht das Bedürfnis, irgendjemandem zu gefallen, sondern signalisiert im Gegenteil, dass sie keinerlei Kontakt wünscht.
    Die Frau ist überaus attraktiv und macht sofort neugierig, ganz gleich, aus welcher Perspektive man sie auch betrachten mag.
    Tirana ist nicht gerade ein Eldorado des Jetsets, dennoch findet man erstaunlich viele Besucher aus westlichen Ländern in den guten Hotels der Stadt. Die meisten sind wohl aus geschäftlichen Gründen dort. Und die Augen dieser Männer richteten sich beim Frühstück ausschließlich auf diese Frau, es war beinahe schon peinlich. Es war aber eindeutig, dass sie in keiner Weise darauf reagierte. Ein schönes, strenges Gesicht, oval, mit einem sehr sinnlichen Mund. Kein Make-up, oder so perfekt geschminkt, dass man es nicht bemerkte. Den Tisch hatte sie so gewählt, dass sie mit dem Rücken zur Wand saß, also alles kontrollieren konnte.
    Ich traf die Frau wieder, als sie das zweite Lager besuchte, in dem der Sprengstoff auf die Trucks der Käufer geladen wird. Sie sprach perfekt und beinahe akzentfrei Englisch, und sie wollte wissen, wie sie ihren Truckfahrer instruieren muss, damit er vorfährt, sofort die Ladung aufnimmt und sich nicht unnötig aufhalten muss. Das hatte eindeutig etwas von Generalstabsarbeit.
    Sie hatte einen Leihwagen (einen schweren Audi , natürlich von Truud), und ich sah sie darin, wie sie um das große Grund stück in den Bergen herumkurvte, in dem das C4 hergestellt wird. Die Tatsache, dass sie sich darum kümmerte, könnte darauf hinweisen, dass sie etwas in Erfahrung bringen wollte. Vielleicht ist sie eine penibel arbeitende Spionin, vielleicht von unserem Gewerbe. Auf jeden Fall aber ist sie gründlich.
    Am Nachmittag des zweiten Tages verließ sie das Hotel gegen 14 Uhr, setzte sich in den Wagen und verließ die Stadt in Richtung Süden. Ich folgte ihr ungefähr zehn Kilometer, kehrte dann um. Ich wollte mir ihr Zimmer ansehen und hoffte dabei ausfindig machen zu können, wer sie ist.
    Das Ergebnis der kurzen Inspektion ihres Zimmers war ausgesprochen dürftig. Eine geradezu mustergültige Aufgeräumtheit, nichts Besonderes in ihrem Koffer, abgesehen von ungefähr achttausend US -Dollar.
    Sie kam überraschend schnell zurück, und ich musste auf einen flachen Außensims an der Rückwand des Gebäudes im ersten Stock ausweichen. Zwei Fenster waren vom Hotelpersonal zur Lüftung offen gelassen worden. Ich konnte die Frau durch die Spiegelung in der Scheibe beobachten.
    Sie betrat das Zimmer, wurde gleich misstrauisch und hatte sofort eine kleine Waffe in der Hand. Ich vermute, dass es ein Derringer war, den sie in der Handtasche mit sich trug, und ich habe keinerlei Zweifel, dass sie mich erschossen hätte, falls nötig.
    Wenn ich bei Truud auf die Notwendigkeit verwiesen habe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren, so würde ich das bei dieser Frau ebenfalls dringend empfehlen.
    gez. Thomas Dehner (nach der Rückkehr aus Tirana)«

DRITTES KAPITEL
    Um 16 Uhr Ortszeit wartete Müller vor dem Hotel auf den
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